Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
dem Ersten Weltkrieg. Jean-Paul Sartres Werk Das Sein und das Nichts erschien im Zweiten Weltkrieg. Altbewährtes und Tradiertes wird in Zeiten von Krisen hinterfragt und nicht mehr als selbstverständlich hingenommen. Mit diesem Infragestellen fallen wir immer ein Stück weit aus einem sicheren Rahmen heraus. Postmoderne Philosophen gehen heute davon aus, dass es weder Wahrheit, noch Wirklichkeit oder Sinn gibt. Aber es gibt heute nicht nur Vertreter einer Postmoderne, sondern unsere Zeit ist eine Epoche, in der wir über alle fundamentalen moralischen oder auch politischen Fragen heftig aneinander geraten. In die Arena der Sinnfrage treten heute zahlreiche rivalisierende Kämpfer. Dabei scheint keiner so wirklich in der Lage zu sein, den anderen zu überzeugen. Überkommene Glaubensvorstellungen zerfallen, aber auch an dem Primat der Vernunft wird gezweifelt. Damit kann keine endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn gegeben werden. Dass keine endgültige Antwort gegeben werden kann, bedeutet aber auch, dass wir anstatt Sicherheit Freiheit bekommen. Denn hat das Leben keinen vorgegebenen Sinn, kann jeder Einzelne seinem Leben den Sinn geben, den er möchte. Wir sind nach dieser Theorie Urheber und Schriftsteller unserer selbst. Und wir sind dabei nicht darauf angewiesen, dass Gott oder die Vernunft unsere Geschichten schreibt. Warum also Sinnkrisen?
Reif für die Sinnkrise?
Ein 33-jähriger Mann, ziemlich abgemagert, befindet sich in Frankfurt auf dem Weg zu einer Beratung. Dort angekommen, erzählt er seiner Zuhörerin, dass er einen nervösen Magen habe und sich fast nur noch von Schokoriegeln und Kaffee ernähren könne. Nach seinem erfolgreich abgeschlossenen Studium gehörte er zu den »High Potentials« einer Großbank. Nach einem Trainee-Programm war er innerhalb weniger Jahre zum Projektleiter mit Personalverantwortung aufgestiegen und verdiente irre viel Geld. Nun aber stellte er fest, dass er eigentlich gar kein Privatleben hatte und sich außerdem seine Karriere in einer Art Sackgasse befand. Er fing an, sich zu fragen: »Was mache ich hier eigentlich? Soll ich mein ganzes Leben lang jetzt so weitermachen?«
Viele Menschen fühlen sich heute überlastet, geradezu ausgebrannt: Burn-out ist eine häufige Diagnose. Herbert Freudenberger hat schon 1974 beobachtet, dass in Drogenberatungsstellen viele junge, vormals hoch motivierte Mitarbeiter nach wenigen Arbeitsjahren abgestumpft und zynisch ihrer Arbeit nachgingen. Dieses Phänomen nannte er Burn-out . Vor allem in helfenden Berufen stieß man auf dieses Phänomen. Aber mit der Zeit konnte man in anderen Berufsgruppen die gleiche Symptomatik erkennen. Seither steigt die Zahl der psychisch Erkrankten unaufhörlich. Die Unternehmensberatung Kienbaum machte durch eine Befragung in deutschen Chefetagen auf einen neuen Typus, den Extremjobber, aufmerksam. 80 Prozent der deutschen Top-Führungskräfte gaben bei einer Befragung an, mehr als 50 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die Hälfte der Manager mit jährlich mehr als 200000 Euro Verdienst legt eine Wochenarbeitszeit von 60–70 Stunden hin. Über lange Zeit empfinden diese »Arbeitstiere« ihre Arbeit als angenehm stimulierend, als intellektuelle Herausforderung, gar als Lebenselixier. Natürlich ist ihnen durchaus bewusst, dass diese Arbeitsweise nicht mit einem befriedigenden Privatleben in Einklang gebracht werden kann. Sind dann keine Hobbys mehr da, die Ehefrau mit Kindern ausgezogen, werden sie nachdenklich. Oftmals erkennen sie erst jetzt, dass ihre Arbeit aus Zeitdruck, Aufgabenlast, Fremdbestimmtheit, unklaren und wachsenden Zielvorgaben, eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten, häufigen Störungen im Arbeitsablauf durch Telefon oder E-Mails oder Umstrukturierungen besteht. Diese Menschen leiden an Burn-out aufgrund eines Zuviels.
Da gibt es aber auch den erfahrenen Krankenpfleger, der sich auf »seiner« Intensivstation besser auskennt als der junge ärztliche Kollege. Trotzdem darf dieser Krankenpfleger in Notfallsituationen offiziell keine ärztlichen Tätigkeiten durchführen. Oder denken wir an die vielen Arbeitslosen, die durch eine Firmenpleite von heute auf morgen ihren Job verlieren. Menschen über 50 mit Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf einmal nicht mehr gefragt sein sollen. Denn auch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten, Langeweile, das Brachliegen eigener Talente und Interessen können zum Ausbrennen führen. Trotzdem ist nicht jeder Durchhänger ein Burn-out .
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