Anschlag auf den Silberpfeil
sie einzulassen.
„Seine Süße“, erklärte Hauke halblaut, „Eva
König ist Friseuse. Sie weiß, was er treibt. Solange die Kasse stimmt, ist sie
mit allem einverstanden. Ein Luder! Sie bringt ihn unentwegt auf Trab. An der Million
müssen wir sie beteiligen. Aber dafür soll sie auch mitmachen. Irgendwie.“
Eva König reichte Otto nur bis zur
Schulter.
Er schätzte sie auf Ende zwanzig,
konnte aber nicht erkennen, wie sie unter ihrem Make-up aussah — vermutlich
älter. Ihre tolle Drei-Farben-Frisur hatte modische Kanten. Sie trug einen
schwarzen Lederanzug mit rosé-farbener Bluse.
Bei der gegenseitigen Bekanntmachung
konnte sie sich einen mißbilligenden Blick nicht verkneifen. Er galt Ottos
Irokesen-Schnitt.
Hauke und Angelo weihten sie ein.
Sie sagte nichts, schien überhaupt
etwas mundfaul zu sein, machte aber eine bedenkliche Miene und zierte sich.
„Und wieviel kriege ich von der
Million?“ wollte sie schließlich wissen.
„Wir teilen das Geld auf, wenn wir es
haben“, verfügte Hauke. „Ungelegte Eier kann man nicht in die Pfanne schlagen.
Otto, bist du bereit?“
Otto nickte.
„Dann gehen wir jetzt zu der
Telefonzelle draußen und machen den Anruf. „
10. Großes Los oder Blödsinn?
Tim hatte erzählt. Von Otto Nitschl und
der unterschlagenen Fahrkarte. Von Christine Pfab, mit der er morgen zu Ottos
Onkel, diesem Franz Hauke, wollte. Von dem Zugunglück — in allen Einzelheiten.
Und von der Begegnung mit der Fotografin in der Feldscheune. Es war
sensationell.
Er wollte noch hinzufügen, daß er diese
Gertrud Rawitzky für recht undurchsichtig hielt.
Aber das Telefon unterbrach ihn.
Der Kommissar meldete sich und lauschte
— wie es schien — mit angehaltenem Atem.
„Danke! Alles klar. Ich weiß Bescheid.
Habe ich den Namen richtig verstanden: Schulzl-Müller? Ja, ich gehe zu ihm.
Wiedersehen, Krause.“
Er legte auf.
Aha! dachte Tim. Krause. Der Kollege,
der die ersten Ermittlungen geführt hat.
„Jetzt wissen wir, was dahinter steckt“,
sagte Glockner. „Erpressung. Eben hat sich der Täter beim Bahnhofsvorstand,
einem gewissen Schulzl-Müller, gemeldet. Eine Million wird gefordert. Bislang
ohne weitere Angaben über das wie, wo und wann. Aber garniert mit harter
Drohung. Entweder Geld, oder demnächst werden weitere Züge entgleisen.“
„Wie gut“, sagte Klößchen, „daß wir
fast ausschließlich unsere Drahtesel benutzen. Vorläufig kriegen mich keine
zehn Pferde in einen Triebwagen.“
„Übertreib mal nicht!“ meinte Karl. „Es
entgleist ja nicht jeder. Außerdem ist die Bundesbahn jetzt gewarnt. Man wird
aufpassen.“
Tim beobachtete den Kommissar.
Glockner schien nachdenklich.
„Daß du auf diese Fotografin gestoßen
bist, Tim“, sagte er, „scheint mir wichtig zu sein. Selbst wenn sie mit dem
Anschlag nichts zu tun hat, bleibt immer noch eins: Sie hat dort fotografiert —
unmittelbar nach dem Unglück. Vielleicht sogar währenddessen.“
Tim nickte. „Möglicherweise ist
irgendwas drauf, das der Frau im Moment der Aufnahme gar nicht auffiel. Der
Teufelsberg bietet Verstecke. Vielleicht guckt der Täter hinter einem Busch
hervor — nicht ahnend, daß er abgelichtet wird.“
„Du weißt die Adresse?“
„Professor-Rutzl-Straße 17. Jedenfalls
stand das in der Kameratasche.“
Glockner wandte sich zum Telefon. Aber
dann schüttelte er den Kopf.
„Nein. Besser, ich sehe mir die Frau
gleich mal an.“
Er fing Tims großäugigen Blick auf. „Na,
gut! Du kannst mitkommen. Von dir stammt ja der Hinweis.“
„Und wir?“ fragte Gaby. „Ihr beide
steigt in diesen sensationellen Fall ein. Um die deutsche Bundesbahn geht’s. Um
einen Millionenerpresser. Und auch darum, Papi, daß du den Täter schnell
ermittelst. Damit dem blöden Pfeifer die Lust an übler Nachrede vergeht. Sollen
Karl, Willi und ich — die wir ja enorm erfahren und beschlagen sind — hier
bleiben und Goulasch mit Käsenudeln essen? Nichts gegen deine köstlichen
Gerichte, Mami. Aber was gleich in der Professor-Rutzl-Straße läuft, ist
allemal spannender. Außerdem will ich sehen, ob die Frau wirklich so modisch
ist, wie Tim sagt.“
„Was Mode betrifft“, schränkte ihr
Freund ein, „bin ich nicht so erfahren und beschlagen wie du. Ich weiß zwar,
daß es außer Jeans, Sweatshirts und Windjacken noch was anderes gibt — aber ob
die Rawitzky zu den bestgekleideten Damen gehört, entzieht sich meinem Urteil.
Immerhin fand ich sie ziemlich bunt für den
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