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Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Falls da was dran ist. Papi, fährst du
jetzt nach Hause oder zum Hauptbahnhof? Du wolltest doch zu diesem
Schulzl-Müller. Fahren wir gleich hin, ja? Wo er doch am Weg liegt — der
Hauptbahnhof, meine ich.“
    „Aber Tim und Willi kriegen Ärger, wenn
sie zu spät ins Internat kommen.“
    „Den kriegen wir jetzt sowieso“, lachte
Tim. „Aber Dr. Grausippe ist kein Unmensch. Mit dem kann man reden.“
    „Nachher bringe ich euch hin“, sagte Glockner.
„Und bei Dr. Grausippe lege ich ein Wort für euch ein.“
    Er fuhr zum Bahnhof und parkte auf dem
Vorplatz, wo trotz später Stunde der Betrieb nicht abriß.
    Als sie in die Halle traten, wäre
beinahe ein Typ gegen den Kommissar geprallt — ein stoppelbärtiger Rotschopf in
grüner Jacke. Unachtsam war er, weil er nach hinten sprach – zu einem Dickwanst
mit Mondgesicht.
    Der riß erschrocken die Augen auf. „Paß
doch auf, Jo! Rennst ja den Kommissar um. ‘n Abend, Herr Kommissar.“ Glockner
nickte. Der TKKG-Bande erklärte er dann: „Das waren Kolbe und Peix — Taschendiebe.
Ehemalige, wie ich hoffe. Jedenfalls sind sie seit längerem nicht aufgefallen.
Der rothaarige Kolbe wird Achtfinger-Jo genannt. Zwei fehlen ihm. Mit Vornamen
heißt er Joachim. Ferdinand Peix ist Krawatten-Fan. Den Spitznamen
Krawatten-Nante hat ihm das eingetragen.“
    Wie auf Kommando fühlten die vier
Freunde ihre Taschen ab, lachend. War noch alles da?
    „Meine Schokolade ist weg“, stellte
Klößchen fest. „Hat die der dicke Nante im Vorübergehen geklaut?“
    „Du hast sie gefuttert“, sagte Karl. „Und
zwar fünf Minuten, bevor du dich auf die Käsenudeln stürztest.“
    „Ist nicht wahr.“
    „Doch!“
    „Nein, es war zehn Minuten vorher. „
    Sie marschierten hinter die Kulissen
des Bahnhofs. Glockner fragte sich durch zum Büro des Oberbahnlers, der an
seinem Schreibtisch saß und sich Sorgen machte.
    Schulzl-Müller war ein freundlicher
Bauchträger mit einem Schnauzbart — so groß wie eine Scheuerbürste.
    Glockner machte sich bekannt und
erklärte den Großauftrieb der Jugend mit deren Verwicklung in den Fall, ohne
das näher auszuführen.
    Schulzl-Müller lächelte, kraulte Oskar,
bewunderte ihn und sagte, auch er habe einen Cockerspaniel — einen braunen, der
sich jedesmal wehre, wenn man ihm die Ohren säubere.
    „Nun zu dem Erpresser.“ Glockner zog
sein Notizbuch hervor. „Sprach er mit verstellter Stimme?“
    „Den Eindruck hatte ich nicht. Sie
klang ganz normal.“
    „Wie würden Sie die Stimme beschreiben?“
    „Rauh, ziemlich heiser. Ich tippe auf
einen jüngeren Mann. Er sprach halbwegs hochdeutsch. Aber ein Dialekt ( Mundart )
war nicht zu überhören.“
    „Das ist wichtig. Welchen Dialekt?“
    „Hm. Keine Ahnung, Herr Kommissar. Ich
bin da nicht so bewandert.“
    „Aber das hört man doch. War es
friesisch, fränkisch, sächsisch, moselfränkisch, rheinfränkisch, thüringisch,
schlesisch, alemannisch, schwäbisch, bayrisch, hessisch, pfälzisch, rheinisch,
westfälisch — hat er berlinert oder kölnisch gesprochen?“ Schulzl-Müller ließ
die dicke Unterlippe hängen und sah total überfordert aus.
    „Ich kann das wirklich nicht einordnen.
Kann’n nur beschreiben. Die Vokale klangen anders — e wie ä, o wie u. Ärprässong,
hat er gesagt. Und Lööösegild. Änschlöge — statt Anschläge. Und er sagte: Die
Zöge wärdän intgliesen. Ich übertreibe ein wenig. Aber erst dachte ich, er
hätte den Mund voller Himbeermarmelade. „
    „Eueu. Ich gliebe“, rief Tim, „däs
kömmt mär bekinnt vor. In meiner Heimatstadt, wissen Sie, gibt es gewisse
Typen, die solcherart ihre Worte rauslassen. Ist kein richtiger Dialekt, ist
halb Geheimsprache und halb Spaß. Und seit Jahren unter gewissen Jugendlichen
Mode. Mindestens fünf Dutzend dieser Typen — inzwischen sind’s junge Männer — wohnen
heute hier. Hin und wieder begegne ich dem einen oder andern. Aber meines
Wissens ist kein Verbrecher darunter.“
    „Das ist doch schon was“, sagte Glockner
und schrieb in sein Notizbuch.
    „Eine Million will dieser Kerl.“
Schulzl-Müller griff sich mit beiden Händen an den Kopf, als könnte er’s nicht
fassen. „Inzwischen habe ich Verbindung aufgenommen mit den höchsten Stellen
unserer Verwaltung. Da war man vielleicht sauer wegen der Feierabendstörung.
Unter uns gesagt — aber das muß vorläufig geheim bleiben: Wenn Sie den Täter
nicht ganz schnell fassen, Herr Kommissar, wird ihm die Bundesbahn das Geld
aushändigen.

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