Anschlag auf den Silberpfeil
Ihnen
entgangen, daß Ihr Feuerstuhl umfiel? War keine Absicht von mir. Und ich hoffe,
es geht ihm gut.“
Keine Antwort. Oskars Knurren wurde
wütend. Das wollte was heißen, da er im allgemeinen sanft wie ein Lamm ist.
„Vielleicht ein Einbrecher“, sagte Gaby
vernehmlich. „Ich laufe zum Wagen und hole die Taschenlampe.“
Das wirkte. Hohles Lachen drang aus der
Dunkelheit. Schritte näherten sich. Blech ächzte, als das Moped aufgerichtet
wurde.
„Aber Gabriele“, tönte es, „bin
bestimmt kein Einbrecher. Hab nur mal Pause gemacht — aus demselben Grund wie Willi.“
Die Stimme habe ich schon mal gehört, dachte sie. Aber sie erkannte Erich
Jesper erst, als er — sein Moped schiebend — zu ihnen trat.
„Hallo, Mitschüler“, meinte er und
wedelte lässig mit der freien Hand. „Noch unterwegs? Das wundert mich. Für Mittelstufler
in eurem Alter ist bald Zapfenstreich. Ausschlafen müßt ihr euch. Sonst kriegt
ihr Ringe unter die Augen und seht ausgelutscht aus.“
„Es kann ja nicht jeder so schön sein
wie du“, erwiderte Gaby. „Jedenfalls merkt man, worüber du dir Gedanken machst.“
„Über alles, was wichtig ist. Aber das
meiste ist langweilig.“ Er lächelte, da er ziemlich groß war, auf sie herunter.
Dieser Typ! dachte sie. Seifig wie ein
Aal. Immer freundlich. Immer beste Manieren. Hält jedem Pauker die Tür auf,
tritt sich die Schuhe ab, hat nie einen schmutzigen Kragen — aber stets die
schönsten Pullover. Warum ist er mir so widerlich? Getan hat er mir nichts.
Sie wußte, daß er sie mochte — sogar
sehr. Es war noch kein halbes Jahr vergangen, seit er ihr — über einen Mittelsmann
— einen lieben Gruß ausrichten ließ, und ob man sich nicht mal treffen könnte.
Obwohl ihm bekannt sein mußte, daß sie mit Tim ging. Damals hatte sie alle
Hände voll zu tun gehabt, um ihren Freund zu beruhigen. Sonst hätte er Erich
Jesper ins nächste Schlüsselloch gestopft.
Oskar knurrte nicht mehr. Er
beschnupperte Erichs Füße. Dabei sträubte er das Fell.
„Schöner Hund, der Hund“, sagte Erich. „Deiner?“
„Ist mein Hund, der Hund“, nickte sie.
„Dabei fällt mir ein: Wo ist denn dein
Macker, dieser Tim? Hast du Schluß gemacht mit ihm?“
Klößchen begann zu lachen. Es hallte
durch die stille Straße. Karl nahm seine Brille ab, polierte die Gläser am
Ärmel und rieb sich gleichzeitig die Augen.
„Mein Macker, dieser Tim“, sagte Gaby, „wird
gleich hier sein. Leider ist er heute übellaunig. So streitsüchtig kenne ich
ihn sonst gar nicht. Als ob er einen Grund sucht, jemanden zu verkloppen.“
Erich blickte die Straße hinunter. Dann
räusperte er sich. Da Tim nicht zu sehen war, mußte er seinen Abflug nicht
überstürzen.
„Grüß deinen Judokünstler von mir. Ich
werde noch erwartet. Gute Nacht allerseits.“
Sie sahen ihm zu, wie er sein Moped
startete. Es hatte den Sturz überstanden. Knatternd entfernte er sich die
Straße hinunter, wo er in eine Gasse bog und nicht mehr gesehen ward.
„Mein lieber Vater, der
Schokoladenfabrikant“, sagte Klößchen, „hat keine Geschäftsverbindung mit dem
Bankhaus Jesper. Dazu wird es auch später nicht kommen, wenn ich Fabrikdirektor
bin und Erich seinen Vater ablöst. Diesem möhrenblonden Lulatsch werde ich kein
Geld anvertrauen.“
„Ich kann ihn auch nicht leiden“,
nickte Karl. „Er ist wie gefärbte Luft. Man sieht ihn, aber man kann ihn nicht
fassen.“
„Er denkt immer noch“, gluckste
Klößchen, „er könnte bei dir landen, Pfote.“
„Eher vertraust du ihm dein Geld an.“
„Nie.“
„Eben.“
Sie pilgerten zurück.
Nach zehn Schritten fiel Klößchen ein,
was er ursprünglich vorgehabt hatte.
Er machte kehrt und verschwand in der Einfahrt.
Als er wieder auftauchte, waren Gaby,
Karl und Oskar beim Wagen.
Zufällig sah Klößchen in die andere
Richtung.
Nanu, dachte er. Ist Jesper immer noch
da?
Bei einer Zaunhecke, noch im Lichtkreis
der nächsten Laterne, drückte sich eine Gestalt in den Schatten. In diesem
Moment zog sie sich in pralle Finsternis zurück, und Klößchen wußte nicht, ob
er richtig gesehen oder sich geirrt hatte. Im übrigen war das nicht wichtig.
Wie er meinte.
Sie warteten beim Wagen, bis Tim und Glockner
zurückkamen.
Während der Rückfahrt berichtete Tim
von dem mageren Ergebnis.
„Aber den Kater Goliath müßtet ihr
sehen. Ein gefährlicher Bursche.“
„Ich hätte auch die Frau gern gesehen“,
meinte Gaby, „wegen ihrer Schickigkeit.
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