Anschlag auf den Silberpfeil
„Erst
drängst du mir die 1,95 auf, und jetzt soll ich ungelabt abwandern.“
„Was ist denn wichtiger: dein
schokoladiger Seegang oder die Erpressung?“
„Kommt drauf an“, maulte er, stand aber
auf und folgte seinen Freunden hinaus.
„Wohin?“ fragte Karl. „Zu Onkel Hauke
und Neffe Otto?“
Tim schüttelte den Kopf. „Dort würden
wir nichts erreichen. Jetzt ist List angesagt.“
„Und welche?“
Tim legte den Arm um Gaby, um sie im
Gleichschritt mitzuziehen.
Sie trug noch immer die Rose.
„Man muß hinzulernen“, erklärte er, „und
wir haben gestern abend gesehen, wie es Gabys Vater macht.“
„Du meinst den Telefontrick“, nickte
seine Freundin.
„Vielleicht erkennt Schulzl-Müller
diesmal den Anrufer.“
Sie drangen vor in sein Büro.
Aber erst nachdem sie mit freundlichen
Worten zwei uniformierte Bundesbahn-Damen aus dem Wege geräumt hatten.
Schulzl-Müller schrak hoch.
Jetzt, da die Anspannung nachließ,
hatte ihn offensichtlich der Schlaf übermannt.
Mit dem Kopf auf dem Schreibtisch war
er eingepennt, und der Rand der Schreibunterlage hatte ihm eine schicke Kante
auf die Stirn gepreßt.
„Ihr?“ gähnte er.
„Ich hatte Ladehemmung im Gehirn.“ Tim
griff zum Telefon und schob es ihm hin. „Die Erleuchtung kam eben erst statt
gestern abend, was der richtige Moment gewesen wäre. Jedenfalls können wir
Ihnen jetzt einen Hauptverdächtigen anbieten.“
Schulzl-Müller blinzelte. Ihm verhängte
noch der Schlaf die Pupille.
Mit wenigen Worten erklärte Tim den
Zusammenhang.
„Und deshalb sind wir hier“,
schnatterte Klößchen im Anschluß. „Damit der Telefontrick wiederholt wird. Wie
gestern abend. Sie wissen schon, ja? Alles das tun wir für die Bundesbahn, die
uns jedes Opfer wert ist — sogar den Verzicht auf die Schokowelle.“
Schulzl-Müller runzelte die Stirn. „Braune
Welle? Ich kenne nur die grüne Welle im Straßenverkehr, und die rosa Zeiten bei
uns, was ein verbilligter Tarif ist. Von brauner Schokowelle habe ich noch
nichts gehört.“
Verdammt noch mal! dachte Tim. Willi
mit seinen dummen Bemerkungen! Sowas bringt nur falsche Themen aufs Gleis.
„Unwichtig, unwichtig, Herr
Schulzl-Müller! Willi meint Speiseeis. Aber wir müssen jetzt den Tabakladen
Hauke anrufen. Karl, du machst das. Hauke kennt deine Stimme nicht. Du gibst
dich für den Penner aus, dem Nitschl einen Hunderter geborgt hat, was ich
zufällig hörte — gestern früh vor Antritt der Reise. Wenn Otto dann ins Rohr
blökt, sind Sie dran, Herr Schulzl-Müller. Lauschen! Nur lauschen! Ob’s der
richtige ist.“
In dem langweiligen Büro knisterte
plötzlich die Spannung.
Schulzl-Müller suchte Haukes
Telefonnummer aus dem Verzeichnis.
Tim erklärte Karl, was er sagen sollte.
Selbstverständlich konnte sich Karls
Computergehirn alles wortgetreu merken.
Schulzl-Müller wählte und reichte ihm
den Hörer.
Karl hätte gern seine Brille abgenommen
und am Ärmel poliert, was bei ihm Aufregung ausdrückt. Aber das hätte nur
abgelenkt. Konzentration war jetzt nötig.
„Tabakwaren-Fachgeschäft im
Hauptbahnhof — Hauke“, ölte ihm die Stimme des Perückenträgers ins Ohr.
Karl hatte sich schon geräuspert.
„Äh, hier ist... also“, krächzte er, „der
Otto, mein Freund und Kumpel, sagte mir gestern, daß er zu Ihnen fährt. Jetzt
bin ich zufällig auch hier in der Stadt. Und weil ich dem Otto noch ‘nen
Hunderter schulde, will ich... Ist er da? Können Sie ihn mal ans Rohr holen?“
Karl lauschte.
Hauke schien das Gestammel zu
überdenken.
„Otto!“ brüllte er dann - vom Hörer
abgewandt. „Telefon!“ Und leiser: „Irgend so ein Bescheuerter, der dir 100 Mark
schuldet. Er wäre dein Freund.“
Der Atem des Stadtindianers traf die
Sprechmuschel.
Sofort übergab Karl den Hörer an
Schulzl-Müller.
Der hielt ihn so, daß die TKKG-Bande
mitlauschen konnte.
Fünf Köpfe also schoben sich über dem
Schreibtisch zusammen.
„Heh, Herbert!“ röhrte Nitschl durch
die Leitung. „Gibt’s denn das? Du hier? Hast du dich doch mal am Riemen
gerissen und machst jetzt ‘ne Reise? Aber nicht nur, um mir die Kohle zu
bringen, wie? Wo steckst du denn, altes Rattenfell?“
Tim nahm Schulzl-Müllers Brieföffner
und raspelte damit über die Sprechmuschel. Am anderen Ende der Leitung klang
das sicherlich wie ein Preßlufthammer-Gedröhn.
Viermal noch hämmerte er auf den Hörer.
Das genügte als Tonstörung,
Leitungsbruch, technisches Versagen, Übermittlungspanne.
Er
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