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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael-André Werner
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hängt, wirft es sich über die Schulter. Das Säuglingswürmchen legt sie sich darauf, klopft ein bisschen auf den Rücken und wartet.
    »Ausgenutzt. Schöne Ausrede. Gut, sie hat bestimmt ein schönes Zeugnis bekommen, aber ausnutzen ist was anderes, finde ich. Wenn man ne Frau zu Hause hat und trotzdem fremdvögelt.«
    Das Kind auf ihrer Schulter macht leise »Blöb!«, was sie mit einem »Na also!« kommentiert, dann nimmt sie Ilse herunter und sagt gleich darauf: »Ihhh!« Vorsichtig zieht sie das Tuch von der Schulter, darauf ist ein gelbweißer Fleck. »Na ja, nicht danebengekleckert, nur ein bisschen durchgesuppt.Und durch mein T-Shirt.« Sie wirft das Tuch neben die Spüle und steht auf.
    »Ausgenutzt, als hätte er nichts davon gehabt.«
    »Vielleicht konnte sie nicht gut blasen.«
    »Komisch«, sagt sie. »Wieso man seit Clinton immer an Blasen denken muss, wenn’s um Praktikantinnen geht? Vielleicht haben die werweißwas nach Feierabend in seinem Büro gemacht.«
    »In seinem Büro?«, frage ich.
    »Ich weiß nicht, wo. Sicher nicht bei ihm zu Hause. Vielleicht bei ihr. Sonst hätte Ilka irgendwas gemerkt.«
    »Hat sie vielleicht auch. Ich meine, vielleicht hat sie ja auch was gemerkt. Ich meine, woher wusste sie denn überhaupt ...«
    Beate zuckt die Schultern. »Was ich gehört habe, also von meinem Bruder, kam Alexander nach Hause und Ilka hat ihn zur Rede gestellt und dann rausgeworfen. Dann hat er gepackt und ist zu meinem Bruder gezogen.« Sie steht auf und sagt: »Ich muss die Kleine wickeln. Kommst du mit rüber?«
    Ich nicke, nehme meine Tasse und folge Beate ins Kinderzimmer, wo sie Ilse auf die Wickelkommode legt und auszieht. Sie hantiert mit Ölen und Läppchen, fast sieht es aus wie ein Modellflieger, der seine selbstgebaute Maschine säubert und wieder in Schuss bringt. »Mein Bruder – ist ja auch so eine Nulpe – ruft mich vor ein paar Wochen an und sagt: ›Rat mal, wer gestern bei mir eingezogenist? Der Alexander, seine Freundin hat ihn rausgeworfen.‹«
    »Ich denke, Alexander ist ins Nebenhaus gezogen.«
    »Ja, später, aber für die erste Nacht ist er zu meinem Bruder. So schnell findste ja keine Wohnung, Ilka hat ihn ja abends rausgeworfen, und ins Hotel wollte er wohl auch nicht. Er ist ja ein bisschen geizig. Vielleicht wollte er auch nicht alleine sein.«
    »Aber dein Bruder wusste auch nichts Genaueres?«
    »Doch.« Sie wischt, trocknet und cremt das Kind, das währenddessen ganz ruhig daliegt und mich mit großen Augen sehr ernst mustert. Mir ist das unangenehm.
    »Irgendwie hat mein Bruder das alles aus ihm rausgekriegt. Alexander klingelt bei ihm, fragt: ›Kann ich ne Nacht bei dir schlafen?‹, stellt seinen Koffer ab, dann setzen sie sich in die Küche, mein Bruder kramt seinen Pastis raus, Alexander will lieber ein Bier, mein Bruder geht sogar noch zu seinem Nachbarn rüber, sich ein Bier borgen, dann plappert Alexander los. Er kommt nach Hause, zur üblichen Zeit, nicht früher, nicht später, keine Überstunden diesmal, nach einem ganz normalen Tag, er hat seine Praktikantin nicht mal gesehen, und Ilka steht im Flur und sagt statt eines ›Hallo Schatz‹ oder ›Wie war dein Tag?‹, nur: ›Alexander. Ich weiß es.‹ Under hat gerade die Tür zugemacht, weiß gar nicht, was vorgeht, schaut sie nur an, hört ihr ›Ich weiß es‹. Er sieht ihr rotes Gesicht: Sie ist traurig, wütend, müde, aufgebracht, und das Einzige, was er rausbringt, ist: ›Hast du geweint?‹ – So, fertig.«
    Dem Wickelkind wird noch eine Hose über die Windel gezogen, es wird hochgehoben, geküsst, damit es wieder lacht, und dann gehen wir zurück in die Küche.
    »Er hat es meinem Bruder erzählt. Sie: ›Ich weiß es.‹ Er: ›Hast du geweint?‹ Er sagte, er hätte sich selbst ohrfeigen können im nächsten Moment. Nicht nur, weil er es ja damit quasi schon zugegeben hat. Statt zu sagen: ›Was weißt du?‹ Oder so was. Na, und dann von ihr halt die üblichen Sachen, nichts, was ich Martin nicht auch schon an den Kopf geworfen hätte: ›Du und deine Schlampe ... du Arschloch ... Was hat sie ... Ist sie jünger ... Verschwinde.‹ Und er hat natürlich auch nichts zu sagen als die Sachen, die Männer immer sagen: ›Sie bedeutet mir nichts ... Ist halt passiert ... Ich weiß auch nicht ... Natürlich liebe ich dich ... Es ist längst vorbei ... Es tut mir leid.‹ – Aber das will man in dem Moment gar nicht hören.«
    »Was will man denn hören«, frage ich, »als Frau?«
    Beate

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