Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael-André Werner
Vom Netzwerk:
den Schultern.
    »Was man so hört. Irgendeine Kassandra halt. Hat mir mein Bruder erzählt. Aber viel wichtiger ist ja Renate. Rat mal, was die so macht, beruflich?«
    »Ich weiß es nicht«, sage ich und versuche, ein »Lass mich damit in Ruhe!« mitschwingen zu lassen.
    »Rat mal. Ganz klassisch.«
    Ich will nicht raten. »Nutte«, sage ich.
    »Quatsch. Alexander geht doch nicht zu irgendwelchen ... und zahlt auch noch dafür. Das kann er billiger haben. Nee, ganz klassisch. Mit wem geht man denn so fremd?«
    Mit Fremden, darum heißt es ja Fremdgehen. »Kolleginnen«, sage ich.
    »Sie war Praktikantin bei ihm. Also, in der Abteilung. Irgendwo in der Firma. Journalismus-blabla-Studentin macht ein Praktikum in der großen Firma, und zack, da sitzt der große Alexander Arschloch, bekannt aus Film und Fernsehen, und schwupp, hat er sie im Bett. Ja, gut: Macht macht sexy, aber trotzdem. Ich meine, was finden Frauen an ihm? Findest du ihn attraktiv?«
    Ich zucke mit den Schultern. Ich finde Männer nun generell nicht attraktiv. Ich meine, ich weiß schon, dass manche Männer besser, andere schlechter aussehen und dass man eine Modebeilage einer Tageszeitung aufschlagen kann und da sitzt ein Mann und man denkt: Der sieht gut aus, aber eher mit dem Gedanken, so möchte man auch aussehen, sehnig, kantig, sportlich. Ist aber kein Vergleich zu Frauen, generell und im allgemeinen.
    »Hast du ihn in letzter Zeit mal gesehen?«, fragt Beate.
    »Nur im Fernsehen. Wenn mal wieder was mit der Firma ist. Gerade jetzt nach der Wirtschaftskrise.«
    Sie nickt. »Er sieht doch irgendwie verlebt aus. Oder? So aufgeschwemmt im Gesicht, als ob er Medikamente nimmt. Und die Haare werden dünn. Aber irgendwas wird er ja haben. Für manche Frauen. Der Arsch.«
    Das Schneckenkind kommt erneut angeschliddert. »Mama, die Ilse ist wach.«
    Beate schaut auf die Uhr, sagt: »Danke, mein Schatz«, dann: »Na ja, Zeit is ja.« Dann steht sie auf, »Bin gleich wieder da«, und geht raus. Das Schneckenkind wackelt an meinem Stuhl herum und schielt mich an, dann rennt es raus. Kurz darauf ist Beate mit einem Bündelchen Kind wieder da, die Schnecke schliddert hinterdrein. Beate setzt sich. »Stört dich doch nicht, wenn ich sie mal eben füttere«, sagt sie, wartet aber auch keine Antwort ab, sondern schiebt ihr Leinenoberteil hoch, öffnet den BH und lässt eine Brust herausschwappen. Das Kind wird in die richtige Lage manövriert, sucht kurz, dockt an und beginnt zu saugen.
    Das andere Kind klettert umständlich auf den dritten Stuhl am Tisch, den zwischen Beate und mir, und schaut ihrer Schwester zu, immer größer werden ihre Augen, mit denen sie das kleine Köpfchen anstarrt, das da halbwach vor sich hinnuckelt. Der Mund geht ein winziges Stückchen auf, das Kinn ist zu schwer, der Mund bleibt offen, die Zunge bewegt sich in kleinen zuckenden Bewegungen, sie trinkt jeden Schluck ihrer Schwester im Geiste mit.
    »Weißt du eigentlich, was genau passiert ist?«, fragt Beate.
    »Ich kann’s mir denken«, sage ich. »Du hast mit einem Mann geschlafen, bist schwanger geworden und dann das.« Ich zeige auf den Säugling. Beate lacht laut und heftig auf, dass der Säugling kurz zusammenzuckt und für einen Moment die Futterquelle aus dem Mund verliert. »Hoppala«, sagt Beate und nach einer kurzen, suchenden Bewegung hat der Mund die Brustwarze wieder gefunden und nuckelt weiter. »Nein, die Trennung, A... Alexander.«
    »Du hast nur gesagt, dass sich die beiden getrennt haben, wegen einer Praktikantin. Ich weiß von gar nichts«, sage ich und nehme einen Schluck Tee, der gerade genau die richtige Temperatur hat, dass man einen großen Schluck nehmen kann, ohne sich die Zunge zu verbrennen, aber noch nicht so kalt ist, dass man denken könnte, man trinke laues Spülwasser mit Aromen, und will gerade sagen: »Aber mal was anderes ...«, da sagt Beate: »Also: Stand der Dinge ist, Stand der Dinge von vor einer Woche: Ilka hat Alexander rausgeworfen aus der gemeinsamen Wohnung. Stehen beide im Mietvertrag, gut, er zahlt mehr als sie, aber er ist immerhin fremdgegangen. Und weißt du, wo er jetzt wohnt?«
    »Bei seinen Eltern?«
    »Nee, im Nebenhaus. Nur ein Haus weiter, nicht mehr in der 35, sondern in der 36. Gleich nebenan. Ilka war ziemlich sauer.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Allerdings nur die Tatsache, dass sie ziemlich sauer war, nicht so sehr die Qualität, wie sehr sie ziemlich sauer war, also wie das aussieht, wenn sich eine einen Kopf

Weitere Kostenlose Bücher