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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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schreibt er, dass Rinderhaltung maßgeblich für die Vernichtung der Regenwälder in Mittel- und Südamerika verantwortlichist. »Tatsächlich tragen Kühe ganz massiv zur Umweltverschmutzung und -zerstörung bei. […] Immer mehr Bäume fallen Kettensäge und Brandrodung zum Opfer, um Raum für Rinderweiden zu schaffen […].«
    Ganz recht, Herr Werner, aber wenn man das doch weiß und erst vor Kurzem mühsam recherchiert hat, wie kann man dann so einen Scheiß reden, dass das Gras, auf dem die Kühe stehen, ganz prima für das Klima wäre. Zumal ja Laufstallkühe für gewöhnlich gar nicht mehr auf die Weide gelassen und mit Mastfutter aus ehemaligen Regenwaldregionen gefüttert werden. Laut BUND besetzt allein Deutschland für seinen Soja-Bedarf rund 2,8 Millionen Hektar Anbaufläche, auf der sonst CO 2 -bindender Regenwald stehen könnte.
    »Kann ich was dazu einbringen?«, fragt die hübsche Milchkönigin, während das Kalb immer lauter schmatzend und immer heftiger sabbernd an ihrer Hand saugt. »Was ich dazu sagen möchte – das stimmt mit dem Methan. Aber wir brauchen die Kühe auch in Regionen, wo es schwierig ist, das Gras zu pflegen. Man muss beide Seiten sehen. Und ich denke mal, wenn es um den Klimawandel geht, dann sollte man sich als Normalverbraucher immer mal fragen, muss ich dreimal im Jahr in den Urlaub fahren oder reicht es auch, wenn ich ein Mal im Jahr in ein Flugzeug steige.«
    Kalb: »Schmatz, schmatz, schmatz.«
    Milchkönigin: »Ich meine, die Milch ist ein Grundnahrungsmittel, und das Fleisch, wir brauchen das ja für unseren Körper, man sollte erst mal diese Aspekte sehen und dann vielleicht das Hobby oder den Urlaub nebenbei stellen und …«
    Was sie noch sagen will, geht in zustimmendem Applaus unter. Die Zuschauer im Studio sehen das herzig schmatzende Kälbchen auf der Bühne und applaudierengleichzeitig der Meinung, dass es gut und richtig ist, dieses Kälbchen umzubringen, um sich sein Fleisch in den Mund zu stecken. Wie soll man solchen Leuten denn jetzt bitte vermitteln, dass auch die Lebensrechte von Pflanzen zu achten seien, diesem Unkraut, das überall unter ihren Schuhen wächst?
    Ich habe meine Blutwerte noch einmal überprüfen lassen. Dr. Zeisler ist hellauf begeistert. Meine Cholesterinwerte haben sich von 160 auf 90 nahezu halbiert. (Es handelt sich um das schlechte, böse Cholesterin. Offenbar gibt es auch noch ein gutes, und das ist ausreichend vorhanden.) Auch die Niere arbeitet jetzt besser, Leberwerte gut, weiße Blutkörperchen, rote Blutkörperchen – alles ausreichend vorhanden. Eisen dürfte mehr sein, geht aber auch noch. Nur Vitamin B12 ist eindeutig zu wenig da. Noch nicht so wenig, dass ich deshalb krank werden könnte, aber es ist zu wenig. Zu dumm, dass ich die B12-Werte nicht auch schon im Januar habe messen lassen. Dr. Zeisler vermutet, dass der Mangel nicht an meiner viermonatigen Vegan-Ernährung liegt, jedenfalls nicht nur, sondern dass mein Magen möglicherweise durch Antibiotika geschädigt ist und Vitamin B12 schon länger nicht mehr richtig aufnimmt. Die beiden Frutarier-Monate halte ich aber noch durch, ohne irgendwelche Mittelchen nehmen zu müssen. Allerdings kann ich die Empfehlung aus dem Internet, bei Veganern würde eine Kontrolle der Blutwerte alle zwei bis drei Jahre völlig genügen, jetzt natürlich nicht mehr unterschreiben. Ich empfehle ausdrücklich, schon früher mal eine Blutprobe nehmen zu lassen.
    Seit der Piepsi verschollen ist, dürfen die Hühner nicht mehr aus dem Gehege. Ich hätte die Tür von Anfang anzulassen sollen. Denn in den ersten Tagen wirkten die befreiten Hühner noch sehr zufrieden mit ihrem Auslauf. Aber seit sie einmal an der richtigen Freiheit schnuppern durften, versuchen sie ständig zu entwischen, wenn ich die Tür öffne, um ihnen Futter oder Wasser hineinzustellen. Zu vieles schon gesehen, zu vieles schon, das fehlt, wenn man es nicht mehr hat. Dabei sind sie ungewöhnlich aggressiv, stürzen sich flatternd auf mich und picken mir wütend in den Stiefel, mit dem ich sie von der Türöffnung zurückschaufle. Eines Nachmittags liegt eines der neuen Hühner tot im Auslauf. Morgens noch vergnügt, jetzt tot. Zum Glück bin ich vorgewarnt. Das soll bei befreiten Hühnern öfter mal vorkommen und diverse Ursachen haben. Unter anderem haben sie durch die vielen Eier, die sie legen, wohl oft Eileiterentzündungen. Trotzdem frage ich mich natürlich sofort, ob das Huhn noch leben würde, wenn ich es nicht aus

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