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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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unvorsichtigerweise den Kaloriengehalt auf die Tüte gedruckt hat. Fast 600 Kalorien auf 100 Gramm. Oh Gott! In einer Tüte sind schon 200 Gramm. Und manchmal habe ich sogar zwei Tüten gegessen. Von nun an lasse ich die Nüsse eben weg. Ich will nicht der einzige dicke Frutarier auf der Welt sein. MeineLaune hebt diese weitere Einschränkung natürlich nicht gerade. Alle anderen können essen, was sie wollen. Wer nicht gerade zwei Herzinfarkte hinter sich hat oder Topmodel werden will, kann in diesem Kulturkreis zwischen Lebensmitteln jeglichen Geschmacks und Aussehens und jeglicher Konsistenz wählen. Selbst Veganer haben eigentlich eine Riesenauswahl. Bloß ich sitze jeden Abend vor meinem Erbsen-Kokosnussmilch-Topf und zappe mich durch die Fernsehkochshows.
    Diesmal schaue ich »Deutschlands Meisterkoch«. Acht Kandidaten kochen um die Wette, und eine Jury aus drei Gourmet-Köchen bewertet das Ergebnis. Die Kandidaten sollen einen lebenden Hummer zubereiten. Es wird ihnen erklärt, wie man ihn tötet – mit dem Kopf voran in sprudelnd kochendes Wasser stecken, Deckel drauf, und nach 20 Sekunden ist er tot. 20 Sekunden! Die können vermutlich ganz schön lang werden, wenn man in kochendem Wasser steckt. Wie sagte noch gleich David Foster Wallace in seinem Essay »Am Beispiel des Hummers«? »Es bleibt die Tatsache, dass sich der Hummer verzweifelt wehrt.« Die Kandidaten schauen auch nicht gerade begeistert. Eine Frau weint beinahe. Ein bärtiger Mann erzählt später in die Kamera, dass ihm ganz schön mulmig zumute war, als er dem Hummer ins Gesicht sah. »Dann aber sagte ich mir: Ich kann das.«
    In der bunten Welt der Männlichkeit gilt es immer noch als Leistung, in Situationen, die nach Mitleid geradezu schreien, dieses Mitleid in sich zu unterdrücken. Einmal wohnte ich als Stipendiatin in einem Institut für Kunstschaffende der verschiedensten Sparten. Ein halbes Jahr vor meiner Ankunft hatten dort zwei jungen Künstler gewohnt und geschaffen, von denen immer noch geredet wurde. Der eine hatte lebende Hühner auf einer Bühne geköpft, und der andere hatte einen deutschen Flughafen mit all seinen Gängen als durchsichtiges Röhrensystem nachgebildet und mit Grillen, Skorpionen, einer Maus und anderen Tieren gefüllt, die sich im Laufe einiger Tage gegenseitig massakrierten. Es hatte Beschwerden gegeben. Mein Zimmernachbar erzählte mit feinem Lächeln, wie einige Stipendiatinnen sich aufgeregt hätten, aber im Institut hatte man hinter den jungen Männern gestanden. Wenn es erlaubt wäre, Hühner für den Kochtopf zu schlachten, müsste es auch erlaubt sein, sie für die Kunst zu töten. Während meines Aufenthalts dort wurden erfreulicherweise keine Tiere gequält. Nur ein alter Fluxus-Künstler kam vorbei und brachte ein nacktes junges Mädchen mit, das er mit Sahne beschmierte. Ich sagte nichts dazu. Solange die Jungs damit beschäftigt waren, Sahne auf Brüste zu schmieren, erwürgten sie wenigstens keine Hundewelpen.
    In der Kochshow stecken übrigens alle acht Kandidaten und Kandidatinnen ihren Hummer in das kochende Wasser. Keiner weigert sich. Nicht einmal die Frau, die beinahe geweint hätte. Als sie das große Schalentier ins Wasser gleiten lässt, krallt sich der Hummer mit dem Schwanz am Topfrand fest. Vielleicht ist er auch einfach nur zu groß, jedenfalls bekommt sie den Deckel nicht zu und muss noch einmal nachstopfen. Dann rennt sie mit erhobenen Händen vom Herd weg. Ich glaube, diesmal weint sie richtig. Es geht um 100 000 Euro.
    Nach schweren Überschwemmungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt spitzt sich die Hochwassersituation nun auch im südlichen Brandenburg zu. Der Pegel der Schwarzen Elster hat einen historischen Höchststand erreicht. Die Innenstädte von Elsterwerde und Bad Liebenwerda sollen evakuiert werden. In Mexiko haben wochenlange Regenfälle wieder zu Erdrutschen geführt.

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We are the Champions
    »Kaum einen anderen Gedanken können die Menschen so schlecht akzeptieren wie die Idee, dass wir nicht der Höhepunkt von irgendetwas sind. Dass wir hier sind, hat nichts Zwangsläufiges. Dass wir glauben, die Evolution sei letztlich darauf programmiert, uns hervorzubringen, entspringt nur unser menschlichen Eitelkeit.«
    (Stephan Jay Gould)
    »Natürlich, der Gepard ist schnell, läuft 120 km/h, aber wenn der Mensch sich in ein Auto setzt und Gas gibt – da sieht er alt aus, der Gepard.«
    (Mensch)
    Als die Brahmanen das Kastenwesen in Indien einführten, welche

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