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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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tatsächlich mal spielen lässt und Eier aus Freiland- oder Bodenhaltung deutlich bevorzugt. Es müssen sogar Freilandeier aus dem Ausland eingeführt werden, weil in Deutschland davon nicht genug produziert werden. Käfigeier kann man dem Konsumenten nur unterjubeln, indem man sie zu anderen Produkten wie Kuchen oder Eiernudeln verarbeitet. Jedes dritte Ei wird auf diese Weise unter die Leute gebracht. Eigentlich läuft es in der freien Marktwirtschaft ja so, dass die Wünsche der Kunden die Entscheidungen der Produzenten beeinflussen. Wenn jemand seine Ware loswerden will, bleibt ihm normalerweise gar nichts anderes übrig, als Verbraucherwünsche ernst zu nehmen. Und die Eierproduzenten wissen sehr gut, was der Kunde möchte – sonst würden sie ja keine idyllischen Bildchen von Fachwerkhäusern, Wiesen und im Stroh scharrenden Hühnern auf ihre Eierkartons kleben. Aber sie scheinen der Meinung zu sein, dass es vollauf genüge, den Eigensinn des Verbrauchers auszutricksen. Und das Bundesministerium für Landwirtschaft scheint diese Meinung zu teilen. Zwar gab es dem Begehren der Käfiglobby, die Eier aus Großkäfigen nicht mehr mit der 3 für Käfighaltung kennzeichnen zu müssen, sondern eine eigene Ziffer zu bekommen, nicht nach und ermahnt in der Presseerklärung seine Pappenheimer sogar, »das Verbot der Irreführung und der Täuschung zu beachten«. Gleichzeitig weist es aber darauf hin, dass der »zusätzliche Hinweis auf die Kleingruppenhaltung« »sowohl auf der Verpackung als auch auf dem Ei grundsätzlich möglich und rechtlich zulässig« ist.
    Kuck an. Mach ich mich eigentlich strafbar, wenn ich dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung unterstelle, es wolle durch die Einführung des idyllischen Begriffs »Kleingruppenhaltung« den Produzenten von Käfigeiern dabei helfen, den Verbraucher zu täuschen? Warum sollen wir denken, dass Käfighühner, denen in Wirklichkeit kein Fünkchen Lebensfreude gegönnt wird, ein idyllisches Bauernhofleben führen? Damit endlich wieder mehr Eier aus Qualhaltung gegessen werden? Bravo, liebes Bundesministerium für Verbraucherschutz, das ist genau die Vorgehensweise, die wir von dir erwarten!
    Und dann steht in der Presseerklärung auch noch folgender Satz: »Mit dem endgültigen Verbot der Batteriekäfighaltung zum 31. Dezember 2009 erfolgt die sukzessive Umstellung der Legehennenbestände.« Sukzessive – das heißt dann ja wohl, dass sich immer noch nichts geändert hat und die Hühner bis heute in den alten 50 x 50cm-Käfigen sitzen. Mannomann. Das Wohl der Hühner scheint dem Bundesministerium ja so richtig am Herzen zu liegen. Ich werde schon wieder fürchterlich müde.
    Aber zum Schlafen komme ich in dieser Nacht nicht so schnell. Bullis Serom-Beule hat sich wieder mit Flüssigkeit gefüllt und hängt wie ein Euter an seinem Bauch. Er weiß nicht, wie er liegen soll, röchelt, keucht und pfeift. Ich nehme ihn zu mir ins Bett und stopfe Kopfkissen und Bettdecke um seinen Bauch herum, damit er nicht mehr auf dem Serom liegen muss. Es hilft nichts. Schließlich setze ich mich mit ihm ins Wohnzimmer und massiere ihm erst den Rücken, dann die Pfoten und dann die Ohren, während ich mir eine mehrstündige Fernsehdokumentation über Serienkiller anschaue. In einem Fall hat ein kleiner Junge, der zwanzig Pfennig bei sich hatte, das Geld seinem Mörder angeboten, damit der ihn verschone. Ein Kriminalpsychologe erklärt, warum der Mann davon nicht gerührt wurde – ein psychopathischer Serienkiller ist unfähig, Mitleid mit jemand anderem zu haben. Er sieht nur das Ding, das er zu seinem Vergnügen gebrauchen kann. Fremde Angst, fremder Schmerz, fremde Verzweiflung lösen in ihm einfach nichts aus. Einen solchen Menschen um Gnade anzuflehen ist wie das Quieken eines Schweins beim Schlachter.
    Gegen zwei Uhr morgens fallen Bulli endlich die Augen zu.
    Während ich mich am nächsten Morgen für die Fahrt zur Tierklinik anziehe, beschließe ich, Bulli auf keinen Fall einschläfern zu lassen. Doch nicht wegen so einer blöden Wasserbeule. Bestimmt kann man eine Drainage legen. Und wenn nicht, dann lerne ich eben, wie ich das Serom jeden Tag mit einer Spritze anstechen und entleeren muss. Diabeteskranke lernen ja auch, wie mansich dreimal am Tag eine Spritze gibt. Leute, die ihre Hunde beim Tierarzt töten lassen, behaupten immer, dass sie damit ihrem Tier einen Gefallen tun. Aber die Hälfte davon tut sich bloß selber einen Gefallen.

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