Anständig essen
Hühner stehen auf Drahtgitter. Und als wenn das alles noch nicht grauenhaft genug wäre, sind die Drahtgitter auch noch schräg. Wer schon mal an einem Berghang gezeltet hat, weiß, wie gerädert man am nächsten Tag aufwacht.
Halt, Moment mal – möglicherweise gibt es diese schreckliche Haltungsform gar nicht mehr: Auf einer Internetseite des Bundes gegen den Missbrauch der Tiere steht, dass die ehemalige Verbraucherschutzministerin Künast schon vor Jahren ein Verbot der tierquälerischen Käfighaltung von Legehennen ab dem Jahr 2007 erließ. Danach sollten die Tiere nur noch in Boden- oder Freilandhaltung gehalten werden. In der Bodenhaltung teilen sich neun Hennen einen Quadratmeter, in der Freilandhaltung gibt es pro Henne immerhin 4 qm Auslauf. Ein scheinbarer Sieg für den Tierschutz, denn bevor das Gesetz wirksam werden konnte, wechselte die Regierung, und der neue Bundesrat mit Agrarminister Horst Seehofer hob das Käfigverbot am 7. April 2006 gleich mal wieder auf. Wieso nur? Um ausgesprochene Hühnerhasser wird es sich bei den Mitgliedern des Bundesrates kaum gehandelt haben. Hatte womöglich der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft geklagt bzw. gedroht, die Legehennenbetriebe müssten aus Kostengründen nach Osteuropa abwandern, wenn sie ihr zutiefst grausames Käfigsystem nicht beibehalten dürften? Da würde es den Hühnern dann noch schlechter gehen, da hätten sie nämlich noch weniger Platz, und all die schönen Steuergelder wären auch weg. Es gibt sie noch, die richtig bösen Menschen.
Jedenfalls durften die 50 x 50 cm Folterkäfige erst mal bis Ende 2008 in Betrieb bleiben. Auf Antrag war auch eine Fristverlängerung bis 2009 möglich. Wahrscheinlichliege ich nicht ganz falsch mit der Annahme, dass ungefähr 100 % der Halter von Käfighühnern diesen Antrag gestellt haben. Das heißt, bis letzten Silvester war diese Haltungsform noch gang und gäbe. Bis vor drei Wochen. Mir läuft es kalt den Rücken herunter. Aber jetzt haben wir 2010. Ab jetzt ist alles anders, ab jetzt müssen diese Betriebe in Deutschland auf Kleingruppenhaltung umstellen. Kleingruppenhaltung klingt gut. Kleingruppenhaltung klingt wie ein Hahn und zwölf Hennen, die im Hof auf dem Misthaufen scharren. So ist es aber nicht gemeint. Kleingruppenhaltung heißt, die Hühner sitzen immer noch in einem Käfig, allerdings stehen ihnen jetzt 800 qcm pro Vogel zur Verfügung. Das ist natürlich viel mehr als die Größe eines DIN -A4-Blatts, das ist so viel wie ein DIN -A4-Blatt plus eine Postkarte. Tierschutzverbände sind der Meinung, dass es sich dabei immer noch um eine tierquälerische Haltung handelt. Auch in so einem Käfig kann ein Huhn nicht laufen, hier kann es allenfalls rangieren. Dafür gibt es Sitzstangen und DIN -A4-Blatt-große Scharrplätze aus Kunststoffmatten und Gruppennester. Je eins für zehn Hühner. Es dürfen nämlich 30 oder auch 60 oder noch mehr Hühner in einen Käfig gepackt werden, der dann an der Futterstelle mindestens 60 cm, sonst 50 cm hoch sein muss. Zwischendurch mal kurz aufflattern ist also nicht. Auch die Sitzstangen haben ihren Wert als Rückzugsort eingebüßt. Sitzstangen in 30 cm Höhe laden zum Afterpicken geradezu ein. Afterpicken heißt übrigens nicht, dass ein Huhn dem anderen mal mit dem Schnabel in den Po piekst, sondern kann ernsthafte Verletzungen zur Folge haben. Es kommt vor, dass Hühner einem anderen die Eingeweide aus dem Hintern ziehen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz findet diese Haltungsform trotzdem okay. Auf der Website von Big Dutchman, einem Hersteller für Kleinvolieren, ist eine Pressemitteilung des Bundesministeriums vom 28. Mai 2009 abgedruckt. Vermutlich richtet sie sich an die Geflügellobby, sonst würde wohl nicht gleich im ersten Satz so unverblümt zugegeben werden, wem die ausgestaltete Käfighaltung nützen soll: »Die Markteinführung von Eiern aus Kleingruppenhaltung ist ein wichtiger Schritt für die deutsche Eierzeugung.« Und weiter: »Die Verbraucher erhalten damit eine preisgünstige Alternative zu den Eiern aus Boden- und Freilandhaltung sowie ökologischer Erzeugung.« Das klingt, als ächzten die Verbraucher unter dem Preisdiktat der skrupellosen Bio-Landwirte und Freilandhalter. Tatsächlich sind aber selbst nach konservativsten Schätzungen mindestens 80 % der Käufer gegen Eier aus Käfighaltung. Der Eierkauf ist einer der wenigen Bereiche, in denen der Konsument seine Konsumentenmacht
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