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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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erzeugen?« – es folgt eine völlig irrwitzige Zahl, 15 000 Liter oder so ähnlich – »Wenn alle Menschen so viel Fleisch essen wollen wie du, dann kann das in Bio-Haltung überhaupt nicht hergestellt werden. Soviel Platz gibt es gar nicht, dass dann alle Tiere anständig gehalten werden könnten.«
    Die Käfigeier-Lobby argumentiert so ähnlich. Wenn man alle Legehennen in Deutschland aus ihren stickigen, engen Hallen in die Freilandhaltung entlassen wollte, dann müsste man vorher angeblich erst ein paar ostdeutsche Dörfer plattmachen, nämlich jene, die in der Nachbarschaft der Hühnerfabriken liegen. Die Albert-Schweitzer-Stiftung hat sich mal den Spaß gemacht, das nachzurechnen. In Deutschland werden etwa 40 Millionen Legehennen gehalten. Wenn jede Henne 4 qm Auslauf kriegt, benötigt man insgesamt 160 qkm, das entspricht einem Quadrat von knapp 13 km Seitenlänge und ist weniger als ein Tausendstel der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland. Auslauf für alle Legehennen wäre also durchaus möglich. Masthähnchen gibt es allerdings viel mehr als Legehennen. Und dann noch die ganzen Schweine und Rinder und Enten und Puten.
    »Wenn ich mich richtig erinnere, wolltest du deine Ernährung ändern, weil dir die Tiere leidtaten«, sagt Jiminy. »Fällt dir da gar kein Widerspruch auf?«
    Wieder poltert eine Lawine vom Dach herunter. Jiminy und ich sehen aus dem Fenster, vor dem sich jetzt ein weißer Berg türmt.
    »So ein Bio-Schwein«, sage ich, »das lebt ja davon, dass es sterben muss. Vegetarismus wäre sein Untergang. Die Bunten Bentheimer Schweine – nur zum Beispiel – sind ja nicht deshalb vom Aussterben bedroht, weil zu viele von ihnen gegessen werden, sondern – im Gegenteil – weil kaum noch jemand sie isst. Zu fett, zu langsam in der Mast, zu teuer. Ich finde es auch traurig, wenn so ein nettes Schwein sterben muss, aber was wäre denn die Alternative? Ist es besser, wenn es gar nicht erst auf die Welt kommt?«
    »Allerdings.«
    Vor ein paar Jahren haben Jiminy und ich schon mal ein ganz ähnliches Gespräch geführt. Damals lebte ich noch in Schleswig-Holstein, und es ging um die Hühner. Hühnerhaltung war die einzige Tierhaltung, bei der ich ein reines Gewissen hatte, weil ich meine beiden schwarzen Hennen, Ringel und Rinde, weder einzusperren noch zu bevormunden brauchte. Unser Zusammenleben ähnelte dem in einer lockeren Wohngemeinschaft, wobei die Hühner den Part übernahmen, der nie abwäscht. Nachts schützte sie ein geräumiges Holzhaus vorm Fuchs, morgens öffnete sich die über eine Zeitschaltuhr gesteuerte Jalousientür und entließ die Hennen ins Freie. Den ganzen Tag liefen sie dann, wohin sie wollten, plünderten frisch gestreute Rasensaaten, scharrten im Mist und aalten sich in der Sonne. Kein Zaun hinderte ihren Freiheitsdrang, und trotzdem kehrten sie jeden Abend freiwillig in den Stall zurück. Und als Rinde eines Tages mit nach innen gekehrtem Blick auf ihrem Nest sitzen blieb, um zu brüten, hatte sie meine volle Unterstützung. Da es auf meinem Hof keinen Hahn gab, wäre ihr Unterfangen nämlich eigentlich zum Scheitern verurteilt gewesen. Also ging ich zu meinen Nachbarn, holte mir zehn befruchtete Eier und legte sie Rinde unter.
    »Was für ein Wahnsinn«, sagte Jiminy, die damals zu Besuch war. »Die beiden Hühner scheißen dir doch jetzt schon den ganzen Grillplatz zu. Was meinst du, wie das aussieht, wenn du noch zehn mehr hast?«
    »Ich will, dass Rinde glücklich ist«, antwortete ich.
    »Und was machst du, wenn da lauter Hähne rauskommen? Hähne vertragen sich nicht untereinander.«
    »Die lass ich schlachten.«
    »Das ist doch wohl nicht dein Ernst?«
    »Aber ja doch«, sagte ich, »wem wäre denn damitgedient, wenn ich Rinde jetzt keine Küken ausbrüten lasse? Das Huhn wäre frustriert, weil aus seinen unbefruchteten Eiern nichts schlüpft, und die Küken würden niemals existieren und den ganzen Spaß eines Hühnerlebens verpassen – Mistscharren, Krähen, Körnerpicken und so. Ich nehme denen ja nicht das Leben, ich schenk ihnen doch erst eins. Ein Jahr würde ich die ja leben lassen. Und da die mir ihre Existenz überhaupt erst zu verdanken haben, ist es ja wohl auch okay, wenn ich sie irgendwann schlachte.«
    »Aber sicher doch«, sagte Jiminy, »wenn du jemanden vor dem Ertrinken rettest, erwirbst du damit ja auch das Recht, ihn ein Jahr später wieder ins Wasser zu schubsen.«
    »Ein Jahr, das ist viel mehr, als ein Durchschnittsvogel in freier

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