Anständig essen
täuschen?
Doch leider geht es nicht nur um die menschliche Eitelkeit, sondern um viel handfestere Interessen. Wer zur Verwandtschaft gehört, wer »einer von uns« ist, verdient schließlich unsere Solidarität, kann auf unsere Hilfe zählen, der wird geliebt oder wenigstens zur Konfirmation eingeladen. Das gute alte In-Group/Out-Group-Prinzip: für die Zugehörigen, gegen »diese anderen komischen Typen da«, die eben nicht zu uns gehören. Der In-Group ist man verpflichtet, die Out-Group ist einem im besten Fall egal, im schlimmeren Fall verachtet man sie und im schlimmsten verfolgt und tötet man sie. Um ausgeschlossen zu werden, braucht man nicht unbedingt gleich der falschen Spezies anzugehören, manchmal genügt es schon, das falsche Geschlecht, die falsche Hautfarbe, die falsche Religion oder die falschen Ansichten zu haben. Eine zentrale Spaltung in Mensch und Tier mit der Betonung auf der Unterlegenheit und Andersartigkeit der Tiere bedeutet, Rinder, Schweine und Hühner nicht als Individuen mit charakterlichen Eigenarten und in vieler Hinsicht sehr ähnlichen Bedürfnissen wie wir wahrnehmen zu müssen, sondern sie als beherrschbare und konsumierbare Objekte ohne Seele und Bewusstsein ausbeuten zu dürfen. Außerdem entsteht der Eindruck, alle (nichtmenschlichen) Tiere seien irgendwie gleich, dieselbe Kategorie eben, ob es sich nun um Weinbergschnecken oder Sibirische Tiger handelt.
Nehmen wir – wie in einem beliebten Spiel der Kindersendung »Sesamstraße« – einmal vier Lebewesen und stellen sie nebeneinander, zum Beispiel einen Schimpansen, einen Gorilla, einen Menschen und eine Würfelqualle. Eins von diesen Wesen gehört nichtzu den anderen. Na, welches ist es? Also drei der Lebewesen haben Arme und Beine und ein Gesicht mit Lippen und Zähnen und Augen und einer Nase, während eines aus einem halbrunden, durchsichtigen Glibberklumpen und schleimigen Fäden besteht. Nun, welches Wesen ist etwas völlig anderes als die anderen drei? Die gängige Antwort lautet: der Mensch. Ist doch klar: Gorilla, Schimpanse und Würfelqualle sind Tiere, und der Mensch … ist eben ein Mensch, nicht wahr? Glauben Sie das im Ernst?
Glauben Sie wirklich, ein Schimpanse und eine Würfelqualle hätten mehr miteinander gemein als ein Schimpanse und ein Mensch? Das ist so absurd, als würde eine Würfelqualle behaupten, allein Würfelquallen stünden haushoch über dem Tierreich, während Feuerquallen, Primaten, Salamander und Eichhörnchen alle in einen Topf gehörten. Aber vermutlich ist es genau das, was eine Würfelqualle tun würde, wäre sie in der Lage, wie ein Mensch zu sprechen und sich über die Dinge ein Urteil zu bilden.
Einer der Grundpfeiler, auf den wir unsere Vorstellung von der menschlichen Andersartigkeit gründen, ist unsere große Intelligenz. Und das ist ja auch nicht ganz falsch. Mit unseren Fähigkeiten, Rauminhalte zu berechnen, Sudokus zu lösen und über unser eigenes Handeln zu reflektieren, sind wir tatsächlich anders als jedes andere Tier – so wie eine Ameise mit ihren speziellen Fähigkeiten anders ist als jedes andere Tier und ein Krokodil mit seinen speziellen Fähigkeiten anders ist als jedes andere Tier und ein Eichhörnchen mit seinen speziellen Fähigkeiten anders ist als jedes andere Tier. Der Homo sapiens ist halt ein Tier mit einem besonders großen und komplexen Gehirn. Die Frage ist nur, ob unsere Besonderheit uns so haushoch über die übrige Tierwelt stellt,dass wir deswegen mehr Rechte haben als alle anderen, oder ob uns die Fähigkeit zur Reflexion nicht eher mehr Verpflichtungen auferlegt. (Zum Beispiel die Verpflichtung, von unserem großen Gehirn auch Gebrauch zu machen und mal darüber nachzudenken, was wir den anderen Tieren da eigentlich gerade antun.) Eher schlau als intelligent haben wir uns für die erste Antwort entschieden: mehr Rechte. Ein intelligentes Wesen wie den Menschen darf man nicht quälen oder töten, weniger intelligente Wesen (= alle anderen Tiere) schon. Nicht einfach so, da ist das Tierschutzgesetz vor, aber wenn man sie essen oder Medikamente testen will, ist das erlaubt. Wieso eigentlich? Um Angst, Schmerz und Verzweiflung zu empfinden, bedarf es keiner besonderen kognitiven Fähigkeiten. Es ist äußerst fraglich, ob ein Nobelpreisträger der Physik (Bereich Quantenmechanik) in Todesangst mehr leidet als ein eher schlicht gestrickter Geist. Ein Schwein, das mitbekommt, dass es geschlachtet werden soll, schreit und wehrt sich jedenfalls
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