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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Überschwemmungen bedeuten aber nicht, dass die Klimakatastrophe bereits da sei, versichern Experten. Wir müssten uns allerdings darauf einstellen, dass wir aufgrund der globalen Erwärmung zukünftig häufiger mit extremen Wetterlagen zu rechnen haben. Na, was denn nun, Jungs? Ist die Klimakatastrophe nun da, oder ist sie bloß schon da?
    Der Kleinbus hält vor einem rechteckigen, lang gestreckten Gebäude aus Wellblech, dessen Ende nicht auszumachen ist und das zwei Stockwerke hoch in den klaren Nachthimmel ragt. Mit Fahrerin und Kamerafrau sind wir acht. Wir ziehen die Kapuzen unserer schwarzen Kapuzenpullis über die Köpfe und springen leise heraus. Das heißt, ich habe keinen Kapuzenpulli dabei, kann also bloß den Kragen meiner schwarzen Jacke hochschlagen. Peter hat die Heckklappe schon geöffnet,und jeder greift sich zwei der in dunklen Tarnfarben gehaltenen Katzentransportboxen und läuft geduckt in den Schatten eines Gebüsches. Auch das gigantische Gebäude wirft einen scharfen schwarzen Schatten. In seiner abweisenden, finsteren Größe hat es etwas von einer religiösen Kultstätte, in der grausame Rituale zelebriert werden. So ganz falsch ist das nicht. In den zweistöckigen Hallen werden Hühner gehalten, Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende. Ich werde nicht dazu kommen, sie zu zählen. Der Kleinbus fährt langsam davon. Peter geht mit seinen Transportboxen vor uns her. Wir folgen ihm schweigend einige Hundert Meter bis zu einer Stahltür. Dort warten wir, während Peter noch einmal zurückgeht, um den mit einem Funkgerät ausgestatteten Wachtposten zu positionieren. Die Sterne stehen so hell und deutlich wie in einem Planetarium am Himmel, aber im Schatten des Gebäudes herrscht absolute Schwärze. Man sieht die Hand vor Augen nicht. Niemand spricht. Neben mir pinkelt ein Mädchen ins Gras. Lächerlicherweise beginnt plötzlich mein linkes Knie zu schlottern. Erst langsam, dann nimmt es den Takt und die Geschwindigkeit einer Nähmaschinennadel auf. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen einzigen Ladendiebstahl begangen. Ich fahre auch nie schwarz. Selbst als ich einmal hinter der Hamburger Punk-Band »Die goldenen Zitronen« und den Dithmarschern »Huah« herstiefeln musste, zog ich unter dem höhnischen Gejohle der Musiker, die bereits in die S-Bahn gesprungen waren, noch schnell eine Fahrkarte aus dem Automaten. Ich gehe ein paar Schritte, damit sich mein Knie wieder einkriegt. Manchmal muss man das Richtige tun, auch wenn man schlechte Nerven hat, und die deutsche Gesetzgebung es für falsch hält. Schwächere quälen, ausbeuten und töten und das damitbegründen, es seien ja schließlich keine Menschen, entspricht nun einmal nicht meiner Vorstellung von Recht.
    Peter kommt zurück. Er gibt uns schwarze Einweghandschuhe – Wo kriegt man denn so etwas? Im Tierbefreiungsbedarf? – und Plastik-Überstülper für die Schuhe, damit wir keine Bakterien in den Stall einschleppen. Wer hätte gedacht, dass Tierbefreiung so unaufgeregt, verantwortungsvoll und perfekt organisiert abläuft? Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwann auch nur ein einziger Befehl gegeben wurde. Trotzdem weiß jeder jederzeit, was er zu tun hat. Vermutlich wäre Peter auch als Manager in einem Wirtschaftsunternehmen ziemlich erfolgreich. Stattdessen geht er jetzt los und öffnet die Tür zur Anlage, um nachzusehen, ob auch keine Hühner direkt vor dem Eingang sitzen. Die könnten sonst aufflattern, wenn wir alle zusammen hereinkommen, und nach draußen entwischen. Das sollen sie nicht, wir befreien ja schließlich keine Hühner, damit sie vom nächsten Fuchs gefressen werden. Im Gegensatz zu Freilassungen, wo einfach die Ställe oder Käfige geöffnet werden und die herausgelassenen Tiere dann sehen müssen, wie sie mit der unverhofften Freiheit zurechtkommen, werden bei Tierbefreiungen immer nur so viele Tiere herausgeholt, wie Plätze zur Unterbringung vorhanden sind. Ich versuche die Gummihandschuhe anzuziehen, kann aber in der Dunkelheit nichts sehen, und irgendwie passen die überhaupt nicht. Als Peter die Tür wieder öffnet, bin ich immer noch nicht fertig, aber jetzt muss jeder schnell seine Katzentransportboxen greifen, und wir treten nacheinander ein, stapeln die Boxen innen neben dem Eingang und schieben uns im Dunkeln seitlich an der Hallenwand entlang. Ich ziehe und zerre immer noch an den Handschuhen. Ratsch – jetzt habe ich den linken zerrissen. Ratsch –jetzt den rechten. Wenige Zentimeter

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