Anständig essen
hergestellt haben. Dann wird kaum noch gehackt.
Kater Simbo kommt an und reibt sich an unseren Beinen.
»Der sieht aber auch nicht so gut aus«, sagt Beate. »Das liegt bestimmt am Futter.«
»Habe ich doch schon längst abgesetzt.«
Simbo hat eine allergische Hautreaktion. Sein Fell ist ganz stumpf und voller Löcher. Ich bin froh, dass ich endlich einen Vorwand gefunden habe, kein veganes Futter mehr zu kaufen. Die Kater haben es gehasst, und in den Näpfen blieb immer eine Riesensauerei zurück. Beate beugt sich zu den Hühnern herunter.
»Also davon habe ich noch nie gehört, dass denen die Schnabelspitzen abgesägt werden. Das ist ja schlimm.«
»Und das hier sind noch die leichteren Fälle«, sage ich, »da waren welche dabei, die hatten fast gar keine Schnäbel mehr.«
Beate schüttelt empört den Kopf.
»Bei der nächsten Tierbefreiung mach ich mit.«
Die Flutkatastrophe in Pakistan breitet sich weiter aus. Inzwischen sind 12 Millionen Menschen davon betroffen, 1700 sind ums Leben gekommen. Die Weltmarktpreise für Baumwolle steigen. In Russland regnet es immer noch nicht. Inzwischen brennen 180 000 Hektar Wald. Wegen des Rauchs liegt in Moskau die Sicht unter 50 Meter. Auf dem Weltmarkt steigen die Weizenpreise.
Vom Wetter bedingte Katastrophen wie Stürme, Überschwemmungen und Feuersbrünste haben sich seitden 60er-Jahren verdreifacht. Die Kosten der Schäden, die sie verursachen, haben sich verachtfacht. Eigentlich ein Unding, dass die sozialen und politischen Umstände immer noch so sind, dass die Fleischesser ihr Handeln als legitim begreifen.
Ausgerechnet im letzten Monat meiner veganen Phase macht der Veni-vidi-vegi-Laden in Kreuzberg Urlaubspause. Wo bekomme ich jetzt Brot her, das garantiert nicht auf einem mit Butter eingefetteten Backblech gebacken wurde? Ich krieg es einfach nicht über die Lippen, hier in Brandenburg in einem Supermarkt danach zu fragen. Die halten mich doch für total bescheuert. Zu meiner Überraschung entdecke ich, dass nur wenige Dörfer weiter, in Klosterdorf, eine kleine Bäckerei veganes Brot verkauft. Na also, so schwierig ist die vegane Ernährung überhaupt nicht. In meinen besseren Momenten empfinde ich das Leben ohne Tierprodukte gar nicht mehr als Einschränkung, sondern sogar als Befreiung aus dem Morast von Ausbeutung, Zerstörung, Ungerechtigkeit und Grausamkeit, in dem ich mein Leben lang feststeckte. Seit ein paar Monaten sind die Hühner und die Säugetiere vor mir sicher. Die Maschinerie des Quälens und Tötens läuft zwar ungebremst weiter, aber wenigstens nicht mehr meinetwegen. Jiminy hat mich mal gefragt, ob ich mir nicht auch »irgendwie reiner« vorkäme, seit wir vegan leben. Reiner? Ich weiß nicht. Ich fürchte, dafür kenne ich mich zu gut. Aber zumindest erscheint mir mein Leben klarer und stimmiger, seit ich meine unbegreifliche Gleichgültigkeit abgelegt und Verantwortung übernommen habe. Und ich will in diesem letzen Vegan-Monat so konsequent wie irgend möglich leben – auch wenn das neue Kopfkissen mit Kunststofffüllung sich noch so abscheulich unter dem Kopf bauscht.
Bei jeder Ernährungsform, die ich bisher kennengelernt habe, gibt es Fundis und Realos, die die Regeln unterschiedlich streng auslegen. Die Fundis bei der Bio-Ernährung kaufen nur in kleinen Bio-Läden ein und achten zusätzlich noch auf Regionalität und den Anbaubetrieb und nehmen sich auch keine Einkaufstüte, sondern haben selbstverständlich einen Korb mitgebracht. Die Realos kaufen ihren Bio-Kram auch schon mal im Supermarkt und es mischt sich das eine oder andere Nicht-Bio-Produkt darunter. Bei den Vegetariern beginnt das Spektrum bei Leuten, die sich schon als Vegetarier verstehen, obwohl sie sogar noch Fisch essen und Weihnachten Muttis Braten nicht widerstehen können, geht über Leute, die zwar kein Fleisch essen, sich aber nicht daran stören, dass Gelatine in ihren Gummibärchen ist, und reicht bis zu den Veganern. Veganer sind in ihrer Ernährung alle ziemlich konsequent, sonst wären sie ja auch sofort Vegetarier. Selten kommt es vor, dass jemand Bienenhonig isst und sich trotzdem als Veganer begreift. Aber viele Veganer füttern ihre Katzen mit ganz normalem Katzenfutter, während andere das für ein Verbrechen halten, wiederum aber Wurmkuren für Katzen okay finden, während der ganz strenge antispeziesistische Flügel schon die Haustierhaltung an sich als Ausbeutung von Tieren zur Unterhaltung ablehnt. So ziemlich der Strengste der Strengen ist
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