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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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»Gut, dann bin ich übermorgen bei dir. Fünfzehn Uhr dreiundzwanzig in Timbuktu, Flughafen. – Ich freue mich, Tom!« Und dann hatte sie abgeschaltet.
    Die Selbstverständlichkeit, mit der sie das gesagt hatte, das Leuchten in den Augen und der zärtliche Blick hatten so deutlich ausgedrückt: ich liebe dich und möchte jetzt bei dir sein, daß Thomas nach diesem Gespräch als der glücklichste Mensch aus Camp 4 die Funkzentrale verließ. Weit lagen der Vormittag und mit ihm der Ärger mit Kollegin Knatel zurück. Er hatte die würzige Waldluft, gemischt mit einem Gluthauch der umliegenden Wüste, eingeatmet, und plötzlich hatte er das Bedürfnis zu laufen, die Häuser und Maschinen hinter sich zu lassen, und so hatte er den Pfad eingeschlagen, der auf die hohe, bewaldete Düne führte.
    So etwas, einfach abzuschalten! Ich hätte ihr von der Anforderung der Kombinatsleitung berichten müssen, nach Beendigung des Praktikums »…unverzüglich die Zentrale in Berlin aufzusuchen. Grund: Erledigung der Formalitäten im Zusammenhang mit der wunschgemäßen Einstellung in die Koordinierungsabteilung der Leitung…« Sie haben tatsächlich »wunschgemäß« geschrieben.
    Das hätte ich ihr sagen müssen. Das muß gemeinsam entschieden werden. – Aber ich kann es ihr doch sagen, übermorgen!
    Thomas holte mit dem Bein aus, um eine hohe Distel zu köpfen. Er besann sich jäh darauf, wo er sich befand, und ließ es sein. Belustigt schüttelte er den Kopf.
    Eigentlich wäre da nichts mehr zu entscheiden…
    Die Vegetation war noch weiter entwickelt als bei seinem ersten Besuch. Streckenweise wucherte dichtes Unterholz. Die Flora und Fauna waren nicht unbedingt für dieses Gebiet typisch, aber darauf ausgerichtet, daß ein natürliches Gleichgewicht entstand.
    Thomas hatte die Lichtung erreicht. Wie beim erstenmal setzte er sich auf die Bank neben der Fontäne.
    In seiner Nachbarschaft saßen einige junge Frauen. Auch sie genossen, unterhielten sich selten und dann nur gedämpft.
    Der Blick auf Camp 4 war frei geblieben. Thomas stellte fest, daß das bei der Anlage des Waldes berücksichtigt worden war.
    Die Stadt hatte sich ausgedehnt. Hochhäuser in Zellmonolith, zerbrechlich anzusehen und bizarr, Grünanlagen, bereits hoch bewachsen mit mutierten Bäumen und Sträuchern. Eine Stadt ohne Rauch und Schmutz, ein Ensemble aus Plaste und Beton, Farbe und Werken der bildenden Kunst, kein Fleckchen, wo Staub oder Gestank war. Noch schickte die Wüste ab und an mit dem Samum feinen Sand in die Stadt. Aber je weiter der Grüngürtel vordrang, je höher und dichter Bäume und Sträucher wurden, desto weniger und seltener konnten die Boten der Wüste in die Wohngebiete dringen.
    Am Rande der Stadt stand das neue Fleischkombinat. Neben geräumigen Instituten lagen geruchlose Ställe mit den Zwingern für Schafe, die so groß waren wie kleine Elefanten…
    Die müßte Mutter einmal sehen! Es soll in ihrer Jugend noch Zeiten gegeben haben, in denen das Fleischangebot knapp war. Überhaupt gab es damals noch Menschen, die hungern, ja verhungern mußten, nicht vorstellbar…
    Und ein Hammelschaschlik oder ein Schnitzel ist eben doch noch etwas anderes als die künstlichen Speisen, die sie mir im Hotel »Niger« in Timbuktu vorgesetzt haben, dachte Thomas. Die Synthetik machte die Palette der Speisen reicher, die Gaumenfreuden größer. Aber noch dominierte die Natur.
    Thomas bedauerte, nichts Eßbares bei sich zu haben. Ein Spatz hüpfte einen halben Meter vor seinen Füßen herum und piepste herausfordernd. Dann gab er es auf und badete in einer kleinen Vertiefung der Steinbrüstung des Springbrunnens. Thomas sah ihm zu.
    Dann schaute er wieder hinunter zur Stadt.
    Hier ist eigentlich alles getan, dachte er. Ich könnte getrost nach Berlin gehen. Hier lasse ich nichts Unfertiges zurück. Bald wird es am Kanal für unser Kombinat nichts mehr zum Messen geben. Aber an anderen Objekten – auf dem Mond! Ja, warum nicht auf dem Mond – dort suchen sie Leute…
    Thomas spürte, daß in ihm dieser Gedanke saß, daß ein Entschluß keimte, oder war er schon entschlossen? Und was würde Evelyn sagen? Und Mattau?
    Zu dem Spatz hatte sich ein zweiter gesellt. Sie schüttelten sich, daß das Wasser stiebte.
    Sie fühlen sich offenbar so wohl wie ich, sagte sich Thomas. Er lehnte sich zurück, ließ sich einen Strahl der bereits hoch stehenden Sonne ins Gesicht fallen.
    In zwei Wochen ist das Praktikum zu Ende, dachte er. Wie schnell das gegangen

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