Antarktis 2020
der drei war. Sein Französisch kam langsam, so daß auch Thomas den Sinn des Gesprochenen verstand. Bevor René Tours antwortete, sagte er: »Ich bin Thomas Monig und beauftragt, für meine Freunde zu sprechen – so wie du für die deinen. Wir stehen euch nicht im Weg. Wir bitten dich aber, uns mit dem Vater Aïfes sprechen zu lassen, mit Ben Goslah.«
»Das ist der Vater Aïfes«, sagte der Tuareg und wies mit dem Gewehrlauf auf seinen Begleiter, der links von ihm ritt. »Sprich mit ihm!«
»Oje«, raunte René, »Aïfes Vater kann so gut wie kein Französisch.«
Der Vater Aïfes gab sich auch gar nicht die Mühe, diese Sprache zu benutzen. Kehllautig redete er in Tuareg.
Der Sprecher übersetzte, wie es Thomas schien, mit Genugtuung in der Stimme: »Ich bin der Vater Aïfes, du bist René Tours. Aber ich habe dir nichts zu sagen.«
Thomas gab René ein Zeichen, daß er selbst sprechen solle.
René schluckte, dann sagte er rauh: »Gib mir deine Tochter Aïfe zur Frau.«
Der Tuareg schien auf diese Forderung, die René offenbar viel Überwindung gekostet hatte, vorbereitet zu sein. »Was denkst du dir!« Die vom Sprecher übersetzten Worte klangen härter als das, was Aïfes Vater sagte. Das konnte jedoch an der Unterschiedlichkeit der beiden Sprachen liegen. »Meine Tochter ist eine gläubige Tuareg. Sie nimmt keinen Giaur zum Mann!«
»Sie liebt mich«, rief René.
Der Sprecher lachte höhnisch auf. Ohne Ben Goslah zu Wort kommen zu lassen, rief er: »Das bildest du dir ein!« Dann übersetzte er. Auch Aïfes Vater lachte auf, es klang unecht, gekünstelt. Vielleicht bewirkte dies aber auch der Gesichtsschleier.
»Ihr haltet uns vergeblich auf«, ließ er übersetzen. »Gebt den Weg frei! Allah sei mit euch«, setzte der Sprecher hinzu. Die drei Reiter wendeten. Träge setzten sich die Kamele in Trab.
Sie waren noch nicht hinter der Düne verschwunden, als sich etwas ereignete, womit offenbar auch sie nicht gerechnet hatten: Ihnen entgegen kam in scharfem schaukelndem Galopp ein Kamel, dessen Reiter tief gebeugt im Sattel saß. Sein Burnus wehte hinter ihm her.
Die drei Tuareg verhielten jäh. Scharfe Rufe, von dem heranpreschenden Reiter nicht beachtet, hallten zur LUMO-Besatzung herüber.
Ein, zwei Schüsse knallten.
Dann rissen zwei der Reiter ihre Tiere herum, um den zu verfolgen, der jetzt bereits an ihnen vorbei war und direkt auf das LUMO zu hielt. Der Vorsprung mußte ausreichen, um das Flugzeug vor den Verfolgern zu erreichen.
Plötzlich schrie René: »Schnell, Tom, rein!«
Mechanisch gehorchte Thomas.
René lief dem Reiter entgegen.
Thomas schrie: »Zurück!«
Wieder knallten zwei Schüsse.
Der Reiter war heran. Aus dem Galopp heraus warf er sich aus dem Sattel, ging in die Knie, stürzte.
René half ihm hastig hoch. Der Reiter faßte nicht sogleich Tritt, es schien, als habe er sich den Fuß verletzt. René faßte ihn unter. Sie liefen auf das LUMO zu.
Thomas beugte sich weit heraus, hielt die Tür auf. René und sein Begleiter stürzten in das Flugzeug. »Es ist Aïfe«, keuchte René. »Los, starte doch«, rief er dann angstvoll.
Unmittelbar vor den Kamelen der Verfolger stieg das LUMO senkrecht in die Höhe. Sand wirbelte auf, die Kamele scheuten.
Deland schwenkte um die Düne, gab Vollgas und war in Sekundenschnelle vom Schauplatz verschwunden.
Thomas drehte sich nach Aïfe um. Über ihr Gesicht liefen Tränen. Sie sah angestrengt aus dem Fenster nach unten, drehte den Kopf, um die Kurve, die das LUMO beschrieb, auszugleichen.
René hielt und drückte wie unsinnig ihre Hände. Sie lächelte traurig, versuchte jedoch weiter, unten etwas auszumachen.
Thomas fühlte sich erleichtert, weil ihm jede weitere Entscheidung abgenommen worden war. Plötzlich ordnete er an: »Stopp, Harry, bleib stehen!«
»Was ist los?« fragte Deland, als zweifle er plötzlich an Monigs Verstand. »Ich denke, wir wollen schnellstens zurück? Der Ärger, den du bekommst, dürfte dem Arbeitszeitausfall direkt proportional sein, und noch ist der nicht so groß…«
Doch Thomas antwortete nicht. Aïfe hatte sich schräg über den Rücksitz gelehnt, sah mit stumpfem Blick nach hinten. René Tours hielt noch immer ihre Hände mit unglücklichem Gesicht, das durch ein aufgesetztes Lächeln mitleiderregend hilflos wirkte.
Thomas wies mit einer Kopfbewegung auf Aïfe. Plötzlich ging ein Verstehen über Delands Gesicht. Er nickte und drosselte behutsam den Motor. »Ich gehe erst mal auf Höhe«, sagte
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