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Anthologie - Das Lotterbett

Anthologie - Das Lotterbett

Titel: Anthologie - Das Lotterbett Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ganz allein… und sich ein paar neue Kleider kaufen? Sie könnte sich Mini ganz gut erlauben, sie hatte noch immer schlanke, hübsche Beine, und auch sonst war sie noch ziemlich in Ordnung. DerPlan wäre eine Überlegung wert…
    In glücklicher Ahnungslosigkeit über die diffusen Pläne ihrer Eltern saß Ann-Sofi da und starrte auf einen Haufen von Billetten, die auf ihrem Fensterbrett lagen. Wahrhaftig, sie hatte Erfolg… jeder Abend, den sie hier noch verbringen würde, war von einem der Männer, die auch in der Pension wohnten, »gebucht«…
    Eine der Karten war ohne Zimmernummer, sie enthielt nur die knappe Mitteilung: Heute abend um elf beim Lusthaus.
    Ann-Sofi wußte, wo das Lusthaus lag, aber sie war noch nie dort gewesen. Die Tür war immer verschlossen, und durch die Fensterläden konnte man unmöglich hineinsehen. Hatte der Unbekannte den Schlüssel? War das eine besondere Gunst?
    Sie nahm an der üblichen abendlichen Zusammenkunft im Gesellschaftsraum des Parterres teil, und um elf versuchte sie festzustellen, ob jemand fehlte. Aber da selten mehr als die Hälfte der Gäste zu dieser Zeit an der Unterhaltung teilnahm, während die anderen es vorzogen, in einem kleineren Raum fernzusehen, gelang ihr keine Übersicht.
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als zum Lusthaus hinunterzugehen und ausfindig zu machen, wem sie begegnen sollte. Sie ging auf ihr Zimmer, holte einen Umhang und spazierte in den Park hinaus.
    Es hatte geregnet, und das Gras war naß. Sie fror ein wenig in der frischen, regenschweren Luft und hüllte sich fester in das Cape.
    Da war das Lusthaus. Das kleine, gelb getünchte Gebäude mit seinen grünen Fensterläden glich einer Torte, dekoriert mit grünem Marzipan.
    Aber sie schien Pech zu haben. Auf der Treppe saß ein Gast, der mit ihrem Treffen nichts zu tun haben konnte: Es war eine junge Dame. Sie hieß Stella und hatte dunkles, kurz geschnittenes Haar, ein schönes, rassiges Gesicht mit großen, schwarzen Augen, aber sie wirkte gehemmt und zurückhaltend.
    Hatte ihr Kavalier zwei Mädchen eingeladen?
    »Hej«, sagte Ann-Sofi abwartend und sah die andere mit ihren blauen Augen auffordernd an. »Warum hockst du hier?«
    Stella erhob sich, stellte sich mit ernster Miene vor sie hin und ergriff sie an beiden Schultern.
    »Ann-Sofi«, sagte sie eindringlich und sah ihr fest in die Augen. »Ich bin es, die dich gebeten hat, heute abend herzukommen.«
    »Du?« rief Ann-Sofi perplex aus.
    »Ich hab’ dich an dem Tag beobachtet, wo du mit Sten im Gras gelegen hast«, sagte die andere leise.
    Ann-Sofi schob das Kinn vor und sah sie herausfordernd an.
    »Und was hat das mit dir zu tun?«
    »Hast du schon was von lesbischen Frauen gehört?«
    »Oh«, sagte Ann-Sofi überrumpelt. Ihre Haltung wurde weicher, und sie sah Stella mit neugierigem Interesse an. »Ich dachte, du wolltest moralisieren.«
    »Aber nein«, erwiderte die Schwarzhaarige. »Dies ist wirklich nicht der Ort für kleinliche Anschauungen. Ich meine, die Pension ist ja auf alle Möglichkeiten eingestellt, und die meisten, die herkommen, haben ihre persönlichen Probleme… zum Beispiel die zwei älteren Junggesellen, die immer zusammen gehen, und von denen du nie eine Einladung bekommen wirst…«
    »Was ist mit denen?«
    »Das sind Homosexuelle, die jedes Jahr einen Monat hier leben. Die übrige Zeit arbeitet jeder in seiner Stadt, und sie sehen einander das ganze Jahr nicht…«
    »Und du?«
    Stella lächelte melancholisch.
    »Meine Mutter wollte, daß ich hierherkam, sie hat so viel Gutes von dieser Pension gehört und glaubt, daß ich hier ›geheilt‹ werde«, sagte sie kurz auflachend.
    »Genau wie meine Mama«, antwortete Ann-Sofi überrascht. »Ich onanierte… In diesem respektablen Haus würde ich mir das rasch abgewöhnen, meinte Mama.«
    Die Mädchen sahen einander an und brachen in Lachen aus.
    »Nun, derartige Illusionen hat meine Mutter jedenfalls nicht«, sagte Stella trocken. »Sie weiß genau, wie man hier lebt, und gerade das gibt ihr die Hoffnung, daß ich hier eines Tages von einem Mann genommen werde und Geschmack daran bekomme…«
    »Hast du nie einen Mann gehabt?« fragte Ann-Sofi verwundert.
    Stella schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich kann nicht«, sagte sie und zog schmerzlich die Augenbrauen zusammen. »Ich weiß nicht warum… ich habe meinen Vater nicht gekannt, aber Mutter pflegte oft Männer mit in unsere Wohnung hinaufzubringen, als ich kleiner war… ich habe gesehen… wie sie miteinander

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