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Anthrax

Anthrax

Titel: Anthrax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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solltest.«
    »Wahrscheinlich willst du erst noch deine Eltern einweihen«, mutmaßte Jack.
    »Erstens das, und zweitens gibt es da noch ein paar andere Dinge«, ließ Laurie verlauten.
    »Nun ja«, stammelte Jack. »Ich möchte mich für gestern abend entschuldigen.«
    »Für was willst du dich denn entschuldigen?« fragte Laurie. Entschuldigungen auszusprechen, gehörte ebensowenig zu Jacks Stärken.
    »Dafür, daß ich mich nicht gerade nett über Paul geäußert habe«, kam Jack zur Sache. »Er scheint ein sympathischer Typ zu sein, und ich bin schwer beeindruckt, daß ihr einen Wochenendtrip nach Paris gemacht habt. So etwas würde ich nie bringen.«
    »Ist das alles?«
    »Ich denke ja.«
    »Dann nehme ich deine Entschuldigung an«, reagierte Laurie nüchtern und kippte die Vierteltasse Kaffee, die sie sich gerade eingeschenkt hatte, in den Ausguß. Sie schenkte Jack noch ein kurzes aufgesetztes Lächeln und machte sich auf den Weg zu den Cassidys. Daß er wie angewurzelt dastehen und sich wahrscheinlich ziemlich über ihr Verhalten wundern würde, wußte sie – aber das war ihr egal. Sie hatte keine Entschuldigung von ihm hören wollen, vor allem keine unehrliche. Was sie von ihm hören wollte, war, was er von ihren Heiratsplänen hielt; doch jetzt wußte sie, daß er sich dazu nicht zu äußern gedachte, und das frustrierte sie. Zuerst steuerte sie einen der kleinen Seitenräume an, in den Angehörige während der an die Nieren gehenden Identifikationsprozedur geführt wurden. Früher hatten die Angehörigen hinunter in den Sektionssaal gehen und sich die Leichen dort ansehen müssen; doch das war für die Trauernden unnötig brutal gewesen, vor allem wenn man bedachte, daß sie den harten Verlust eines geliebten Menschen noch nicht verarbeitet hatten. Heutzutage zeigte man ihnen Polaroidfotos, was die Sache für alle Beteiligten erleichterte. Als Laurie sich vergewissert hatte, daß der Raum einigermaßen sauber und in Ordnung war, holte sie die Cassidys. Sie traten schweigend ein und nahmen auf den Stühlen Platz. Laurie lehnte sich gegen den zerkratzten Holzschreibtisch. Die einzigen Gegenstände in dem Raum waren eine TaschentuchBox, ein Papierkorb und mehrere angeschlagene Aschenbecher.
    »Darf ich Ihnen Kaffee anbieten?« fragte Laurie, um das Gespräch irgendwie zu beginnen.
    Mr. Cassidy lehnte dankend ab. Er hatte seine Jacke ausgezogen. Sein kariertes Flanellhemd war bis oben zugeknöpft. »Wir möchten Sie nicht lange aufhalten.«
    »Das ist schon in Ordnung«, versicherte Laurie. »Dafür stehen wir ja im Dienste der Öffentlichkeit, sogar im wörtlichen Sinne. Es tut mir unheimlich leid, was Ihrem Sohn widerfahren ist. Sie müssen furchtbar schockiert sein.«
    »In gewisser Weise ja, und in gewisser Weise nein«, entgegnete Mr. Cassidy. »Brad war ein eigensinniges Kind. Ganz anders als seine ältere Schwester oder sein älterer Bruder. Wir haben uns regelrecht geschämt, wie er sich gekleidet hat und wie er aussah. Vor allem das Nazi-Emblem auf seiner Stirn war uns ein Dorn im Auge. Mein Onkel ist im Kampf gegen die Nazis gefallen. Brad und ich haben uns wegen dieses Tattoos kräftig in die Haare gekriegt – auch wenn es nichts genützt hat.«
    »Aufstände von Teenagern sind manchmal schwer nachzuvollziehen«, ließ Laurie einfließen. Sie wollte das Gespräch in eine andere Richtung lenken und möglichst nicht mit den beiden über das Aussehen der Leiche reden. Sie befürchtete, daß die Cassidys womöglich Fotos von ihrem Sohn sehen wollten, die ihn bei seiner Ankunft im Gerichtsmedizinischen Institut zeigten. Solchen Aufnahmen waren Laien nicht immer gewachsen, und erst recht nicht Eltern, die ihr Kind verloren hatten.
    »Aber er war kein Teenager mehr«, wandte Mr. Cassidy ein. Seine Frau nickte zustimmend. »Er hat sich einfach mit den falschen Leuten eingelassen. Die hatten alle diesen Nazimist am Hut. Und dann haben sie irgendwann angefangen, wahllos Leute zusammenzuschlagen, die anders waren, zum Beispiel Schwule oder Puertorikaner.«
    »Damals ist er zum ersten Mal in Schwierigkeiten geraten«, meldete Mrs. Cassidy sich jetzt zu Wort. Sie hatte eine unerwartet hohe und schrille Stimme.
    »Soweit ich weiß, gab es für ihn Probleme mit der Polizei«, warf Laurie ein. Sie wurde langsam ruhiger. Offenbar brauchten die Cassidys nur jemanden zum Reden, und angesichts ihres Kummers und des Rätsels um den viel zu frühen Tod ihres Sohnes konnte sie dieses Bedürfnis nur allzugut

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