Anthrax
Kraft, nicht laut zu werden. »Wir stecken in der Klemme«, entgegnete Yuri ebenso aggressiv und reichte seinem Kompagnon eine von Dr. Stapletons Visitenkarten.
Curt nahm die Karte entgegen und sah sich nervös nach seinen Karten spielenden Kollegen um. »Was soll ich damit?« fragte er.
»Kannst du nicht lesen?« schoß Yuri zurück. »Auf der Karte steht, warum wir in der Bredouille sind.« Curt warf einen Blick auf die Visitenkarte und sah dann wieder Yuri an. Er wirkte jetzt nicht mehr ganz so wütend, sondern eher verwirrt.
»Operation Wolverine ist in Gefahr!« beschwor Yuri ihn. »Wir müssen sofort eine Lagebesprechung arrangieren.« Curt fuhr sich nervös mit der Hand durch sein kurzes blondes Haar. Dann sah er sich erneut nach den Kollegen um, die sich voll auf ihr Spiel konzentrierten. »Okay«, grollte Curt. »Wehe, du hast keinen triftigen Grund, hier aufzukreuzen! Um die Ecke ist eine Kneipe. Sie heißt Pete’s. Steve und ich kommen, sobald wir können.«
»Ich warte auf euch«, zischte Yuri und gab Gas. Er war stinksauer. Im Rückspiegel sah er, wie Curt den Karten – Spielern kurz ins Blatt sah und dann zurück in die Feuerwache ging.
Die Kneipe war dunkel und verqualmt, stank nach abgestandenem Bier und ranzigem Fett. Die Speisenauswahl beschränkte sich auf Hamburger, Pommes frites und Tagessuppe. Im Hintergrund lief leise Countrymusik. Hin und wieder ertönte ein Refrain über sitzengelassene Mädcher und verpaßte Gelegenheiten. Eine Gruppe von Männern saß beim Mittagessen, vor ihnen standen gefüllte BierkRuge. Yuri quetschte sich an der langen, schmalen Theke vorbei und fand schließlich weit hinten, in der Nähe der Toiletten, eine freie Nische, in der er sich niederließ und sich einen Wodka und einen Hamburger bestellte. Er mußte nicht lange auf Curt und Steve warten. Sie kamen in dem Moment, in dem der Kellner das Essen servierte. Ohne ein Grußwort quetschten die beiden Feuerwehrmänner sich ebenfalls in die Nische und ließen sich gegenüber von Yuri nieder. Die Atmosphäre war zum Bersten gespannt. Während der Kellner den Hamburger servierte und eine Serviette auf den Tisch legte, sagte niemand ein Wort. Als er Curt und Steve erwartungsvoll ansah, bestellten sie jeder ein Bier. Kaum war der Kellner verschwunden, schleuderte Curt die Visitenkarte angriffslustig über den Tisch. Sie blieb vor Yuris Teller liegen. »Rede!« forderte Curt ihn auf. »Hoffentlich hast du uns etwas mitzuteilen, das von Belang ist.«
Yuri biß in seinen Hamburger und kaute. Dabei musterte er seine Freunde. Er wußte, daß er sie provozierte, indem er sie warten ließ; aber das war ihm inzwischen egal. Im Grunde freute es ihn sogar.
»Verdammt!« fluchte Curt. »Wir können nicht den ganzen Tag warten, bis du endlich das Maul aufmachst.« Yuri schluckte und spülte mit einem kräftigen Schluck Wodka nach. Dann leckte er sich über die Innenseiten seiner Lippen, nahm die Visitenkarte und warf sie zurück auf die andere Tischseite.
»Dieser Dr. Stapleton ist der Gerichtsmediziner, von dem ich euch erzählt habe. Der, dem ich im Büro der Corinthian Rug Company in die Arme gelaufen bin.«
»Na und?« entgegnete Curt spöttisch. »Das ist zwei Tage her.«
»Gestern ist dieser Dr. Stapleton im Bestattungsinstitut Strickland aufgekreuzt«, fuhr Yuri fort. »Und zwar zusammen mit Connies Bruder.«
»Davon hast du uns ja gar nichts erzählt.«
»Ich habe es nicht für wichtig gehalten«, erklärte Yuri. »Zumindest gestern noch nicht.«
»Und heute doch?«
»Ohne jeden Zweifel«, betonte Yuri und genehmigte sich einen weiteren Schluck Wodka. Curt „und Steve bekamen ihre Biere. Yuri wartete, bis der Kellner wieder verschwunden war. »Heute stand Dr. Stapleton auf einmal bei mir vor der Haustür.«
»Was wollte er?« fragte Curt. Er klang jetzt nicht mehr wütend und herablassend, sondern ernsthaft besorgt. »Er wollte mich darauf aufmerksam machen, daß ich in Gefahr bin«, berichtete Yuri. »Offenbar hat er die richtige Diagnose gestellt und ist im Bilde, daß Connie an Botulismus gestorben ist.«
»Auch das noch!« fluchte Curt.
»Wie, zum Teufel, hat er das herausgefunden?« wollte Steve wissen. »Du hast uns doch gesagt, daß das absolut ausgeschlossen ist.«
»Keine Ahnung, wie er darauf gekommen ist, die Proben ausgerechnet auf Botulinustoxin zu testen«, entgegnete Yuri. »Daß er Connies Leichnam Flüssigkeit entnommen hat, wußte ich bereits.«
»Was hast du ihm gesagt?« fragte Curt.
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