Anthrax
Jack und Chet sahen ihm hinterher. »Was geht hier eigentlich vor?« erkundigte sich Chet. Weder Laurie noch Jack antworteten. »Hast du wirklich den Sicherheitsdienst alarmiert?« wollte Jack wissen.
»Nein«, erwiderte Laurie. »Ich war drauf und dran, aber dann kam ja unser guter Chet zu Hilfe.«
»Danke, Chet«, sagte Jack. »Du bist genau im passenden Moment aufgetaucht.«
»Keine Ursache«, entgegnete Chet. »Möchtet ihr ein paar Chips?« Er hielt seinen beiden Kollegen die Tüte hin, doch sie verneinten kopfschüttelnd.
»Willst du jetzt vielleicht mit mir reden?« wandte sich Jack an Laurie.
Laurie nickte. »Ja.«
»Chet, alter Freund«, sagte Jack zu seinem Kollegen und klopfte ihm auf die Schulter. »Danke für deine Kavalliersdienste. Wir sehen uns gleich in der Muffbude.« Dieses Wort verwendeten sie häufig, wenn sie unter sich waren und über das Büro sprachen.
»Okay«, entgegnete Chet. »Ich merke schon, daß ich störe.« Er zog, fröhlich vor sich hin mampfend, von dannen. Laurie führte Jack in ihr Büro und schloß die Tür. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dich einen Augenblick bei mir einsperren zu lassen.«
»Ich könnte mir durchaus Schlimmeres vorstellen«, entgegnete Jack.
Dann fiel sie ihm ganz spontan dankbar um den Hals. Jack erwiderte die Geste und legte seine Arme um sie. »Danke«, brachte sie nach einer vollen Minute des Schweigens hervor. »Du warst mir schon wieder ein richtiger Freund.« Sie ließ ihn los. Jack grinste ein wenig verlegen und setzte sich. Laurie kramte ein Taschentuch aus der Schublade hervor und betupfte sich die Augen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich hasse es, wenn ich anfange zu heulen.«
»Nach so einer üblen Szene darfst du ruhig ein paar Tränen vergießen.«
Laurie schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich kann es einfach nicht glauben. Ich bin fix und fertig. Vor drei Tagen herrschte zwischen Paul und mir noch eitel Sonnenschein.«
»Und was ist dann passiert?« fragte Jack und stützte sich auf Lauries Schreibtisch.
»Ich habe gestern abend beim Essen versucht, mit ihm über die Dinge zu reden, die Lou und du mir über ihn erzählt habt«, erwiderte Laurie. »Aber es hat nicht funktioniert. Wir haben uns sofort gestritten.«
»Das ist kein gutes Zeichen«, stellte Jack fest. »Meinst du, das wüßte ich nicht?« entgegnete Laurie und betupfte sich erneut die Augen. »Ich habe irgendwie das Gefühl, daß er etwas verbirgt. Nach seinem heutigen Auftritt bin ich sogar noch mehr davon überzeugt. Ich hätte ihn gar nicht erst reinlassen sollen; aber er hat mich von unten angerufen und behauptet, er wolle sich entschuldigen. Eine tolle Entschuldigung!«
»Wie meinst du das?« fragte Jack. »Was sollte er denn verbergen?«
»Ich bin mir nicht sicher«, gestand Laurie. »Aber ich könnte mir vorstellen, daß er illegal bulgarische Sturmgewehre verkauft. AK-47er.«
Jack stieß einen Pfiff aus. »Das wäre natürlich ein absoluter Hammer!«
»Kann man wohl sagen«, pflichtete Laurie ihm bei und schüttelte den Kopf »Wahrscheinlich könnte ich sogar irgendwie damit klarkommen, daß er als Waffenhändler arbeitet – allerdings nur, wenn absolut klar wäre, daß er die Waffen für einen legitimen Zweck verkauft, etwa zur Verteidigung unseres Landes. Daß er vor Jahren mal wegen Kokainbesitzes mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, könnte ich ihm ohne weiteres verzeihen. Aber ich werde nie und nimmer tolerieren, daß jemand illegale Kalaschnikows oder was auch immer für Waffen an Privatleute verkauft womöglich auch noch an Kinder. Brad Cassidy, der Skinhead, den ich am Montag obduziert habe, hat übrigens auch mit diesen bulgarischen Gewehren gehandelt. Er war eine Art Mittelsmann.«
»Was für ein Zufall!« staunte Jack.
»Du kennst ja meine Meinung zum Thema Waffenbesitz«, fügte Laurie hinzu.
»In der Tat«, entgegnete Jack. »Und was willst du jetzt tun?«
»Weiß ich auch noch nicht so genau.« Laurie seufzte. »Höchstwahrscheinlich lasse ich die Geschichte mit Paul erst mal ein bißchen ruhen und versuche in einer Woche, noch einmal mit ihm zu reden. In der Zwischenzeit werde ich mich in meine Arbeit stürzen, wie ich ja heute morgen schon sagte. Das lenkt mich von meinem katastrophalen Privatleben ab.«
»Hoffentlich läßt er dich in Ruhe«, gab Jack zu bedenken. »Ich könnte mir gut vorstellen, daß er zu der hartnäckigen Sorte gehört.«
»Da magst du recht haben«, entgegnete Laune. »Jetzt fällt mir etwas ein. Ich
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