Anthrax
lassen.«
»Ich bin gespannt auf das Nachspiel«, entgegnete Chet und schüttelte den Kopf. »Erst zu entscheiden, daß eine Autopsie nicht notwendig ist, und dann herauszufinden, daß das Opfer an Botulismus gestorben ist, ist für einen Gerichtsmediziner wohl der schlimmste Alptraum, der ihm widerfahren kann.«
»Ich bin auch gespannt«, sagte Jack. »Während du deine Anrufe tätigst, kann ich ja gleich mal nachhorchen, was aus der Sache geworden ist.«
Er wählte die Nummer der Nebenstelle Brooklyn und bat, mit Dr. Sanders verbunden zu werden. Da er nicht in seinem Büro war, ließ Jack ihn über den Pager anwählen. Während er wartete, telefonierte Chet mit Colleen und erfuhr, daß sie noch Karten besorgen könne. Chet streckte Jack den gereckten Daumen entgegen. Im gleichen Moment meldete sich Dr. Sanders.
»Tut mir leid, daß ich Sie erneut stören muß«, meldete sich Jack in dem gleichen unbeschwerten Tonfall wie bei ihrem Telefonat ein paar Stunden zuvor. »Ich habe mich gerade mit meinem Kollegen Chet über den Fall Davydov unterhalten. Wir wüßten gern, wie die Dinge stehen.«
»Der Fall entpuppt sich zu einem einzigen Alptraum«, klagte Dr. Sanders.
»Zu dem gleichen Schluß sind Chet und ich auch gerade gekommen«, stellte Jack trocken fest und zwinkerte Chet zu, der darauf wartete, daß Dr. Simsarian den Hörer abnahm.
»Mehr Pech kann man kaum haben«, fuhr Dr. Sanders fort. »Nachdem Sie mich heute morgen informiert haben, habe ich umgehend das Bestattungsinstitut Strickland angerufen. Aber dort habe ich leider nichts Gutes erfahren.«
»Das tut mir leid«, entgegnete Jack. »Die Leiche ist bereits eingeäschert.«
»O je!« stöhnte Jack mit geheucheltem Mitgefühl. »Mir ist nichts anderes übriggeblieben, als meinen Vorgesetzten Jim Bennett über die dumme Situation in Kenntnis zu setzen.«
»Und was hat er unternommen?«
»Bis jetzt noch gar nichts«, erwiderte Dr. Sanders. »Aber ich weiß, daß er bei Dr. Bingham anrufen will und dann wohl unter den Chefs entschieden wird, wie mit diesem katastrophalen Fall weiter verfahren wird.«
»Ich kann mir gut vorstellen, wie Ihnen die Geschichte an die Nieren geht«, sagte Jack. Obwohl er den Mann nicht mochte, spürte er plötzlich einen Hauch von Mitgefühl. »So etwas ist mir noch nie passiert«, stöhnte Dr. Sanders. »Da kommen Sie schon durch«, versicherte Jack. »In unserem Job kann es eben mal passieren, daß man etwas übersieht. Im Augenblick können Sie wohl nicht mehr allzuviel tun.«
Jack und Chet beendeten ihre Gespräche beinahe gleichzeitig und sahen sich an.
»Du fängst an«, sagte Chet. »Was hast du erfahren?«
»Bisher hat die Geschichte noch kein Nachspiel«, berichtete Jack. »Bingham soll über den Vorfall informiert werden, aber noch weiß er nichts. Das Schlimmste ist, daß die Leiche nicht mehr existiert. Sie wurde bereits eingeäschert.« Er hob den Kopf. »So ein Mist! Jetzt fällt mir auch nichts mehr ein, was ich noch tun kann.«
»Du kannst wirklich nichts mehr tun!« warnte Chet. »Laß bloß die Finger von dem Fall! Dr. Simsarian verspricht sich übrigens nicht besonders viel von deinem Vorschlag, aber er läßt den Test trotzdem durchführen.«
»Mehr können wir also nicht machen«, seufzte Jack und hob die Hände.
»Ganz deiner Meinung«, stimmte Chet ihm zu. Jack nahm seinen Schreibtisch ins Visier. Auf der Mitte der Schreibunterlage stand ein Behälter mit Gewebeschnitten, an dem ein Postit-Aufkleber angebracht war. Die Nachricht stammte von Maureen. Sie hatte vermerkt, daß es sich um die Hautproben von Connie Davydov handele. Er baute sein Mikroskop auf, legte einen der Gewebeschnitte unter das Objektiv und sah durch die Okulare. Nachdem die Diagnose feststand, daß Connie Davydov an Botulismus gestorben war, erübrigten sich die Schnitte eigentlich. Er hatte ihr das Stück Haut nur deshalb entfernt, weil er sich vergewissern wollte, daß ihr geschwollenes Auge auf eine äußerliche Infektion zurückzuführen war. Was er sah, bestätigte seine Vermutung.
Nun schob er die Gewebeschnitte beiseite und nahm sich die Jefferson-Akte vor. Dr. Washington würde sicher ganz schön staunen, wenn er den Fall einen Tag vor Ablauf der Frist abgeschlossen hatte. Während er arbeitete, freute er sich auf das bevorstehende Dinner mit Laurie und Lou und eine appetitanregende Runde Basketball mit seinen Kumpels.
Kapitel 19
Mittwoch, 20. Oktober, 17.05 Uhr
»Bis morgen!« rief Bob King, als er nach dem
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