Anthrax
auch wenn Yuri behauptet hat, es sei absolut ungefährlich, die Plastikpäckchen anzufassen. Wenn ich daran denke, was drinnen war, ist mir doch ziemlich mulmig zumute.«
»He – was ist eigentlich in dem Umschlag?« fragte Curt. »Meinst du den von Yuri?« gab Steve zurück. »Ja«, erwiderte Curt. »Der Umschlag mit den Anweisungen für die Herstellung von biologischem Kampfstoff. Er hat uns doch erzählt, daß er uns noch ein paar Verhaltensempfehlungen für die Zeit nach dem Anschlag aufgeschrieben hat.«
»Den habe ich zu den Landkarten und all dem Krempel gepackt, den wir brauchen, um die sicheren Übernachtungsadressen zu finden«, erklärte Steve. »Soll ich ihn holen?« Curt zuckte mit den Achseln. »Warum nicht? Kann ja nicht schaden, mal nachzulesen, was wir zu unserem Schutz tun können.« Er mußte laut lachen. »Als ob wir die Hilfe dieses blöden Arschlochs jetzt noch brauchen würden!« Steve griff hinter den Sitz und holte eine mit einem Gummi verschlossene Mappe hervor. Er öffnete sie, durchwühlte die Papiere und nahm Yuris Umschlag heraus. »Ist ja ein ziemlich dickes Teil«, stellte er fest. »Ob er gleich ein ganzes Buch geschrieben hat?« Er hielt Curt den Umschlag hin, damit er ihn begutachten konnte.
»Öffne ihn doch, verdammt!« forderte Curt ihn auf. Steve bohrte seinen Zeigefinger unter die zugeklebte Lasche und riß den Umschlag auf. Drinnen steckte eine dicke Karte, die von einer Schlaufe zusammengehalten wurde. »Was, zum Teufel, ist das denn?« fragte er. Der ›Captain‹ ließ die Straße für einen Augenblick aus den Augen und beugte sich zur Seite. »Was steht denn da vorne drauf?«
»Für Curt und Steve von Rossiya-matoshka«, las Steve vor. »Was auch immer das heißen soll.«
»Mach schon endlich!« drängte Curt.
Steve riß die Schlaufe durch, und plötzlich sprang die Karte in seinen Händen auf. Im gleichen Augenblick katapultierte ein Schraubenfedermechanismus eine beträchtliche Ladung Staub sowie eine Handvoll winzige Glitzersternchen in die Luft.
»Scheiße!« fluchte Steve. Der kleine Springmechanismus hatte ihn zu Tode erschreckt.
Curt war ebenfalls zusammengefahren, hauptsächlich allerdings, weil Steve so komisch gezuckt hatte. Er mußte sich bemühen, nicht die Kontrolle über den Wagen zu verlieren. Auf einmal fingen sie wie auf Kommando an zu niesen, und es traten ihnen Tränen in die Augen.
Der Wagen kam am Straßenrand zum Stehen. Jetzt mußten sie beide kräftig husten, und das Puder kratzte ihnen im Hals. Curt riß Steve die Karte aus der Hand. Steve sprang aus dem Wagen und klopfte sich die Glitzersternchen von der Hose.
Curt musterte die Karte. Sie enthielt keinerlei Text. Dann inspizierte er den Umschlag. Er war leer. Auf einmal hatte er eine böse Vorahnung.
Anmerkung des Autors
Leider entspricht vieles von dem, was die Figuren in Anthrax über biologische Waffen und Bioterrorismus sagen, der Wahrheit. Das gilt insbesondere für die Warnung von Detective Lou Soldano vor dem durchaus vorhandenen Potential für einen jederzeit durchführbaren größeren Bio-Terroranschlag auf die Vereinigten Staaten oder Europa: Die Frage ist nicht, ob ein solcher Anschlag verübt wird, sondern eher, wann. In der Tat haben in den Vereinigten Staaten bereits etliche kleinere Bio-Terroranschläge stattgefunden. 1984 wurden im Bundesstaat Oregon in zahlreichen Restaurants gezielt die Salattheken verseucht, wodurch 751 Menschen an einer Salmonellenvergiftung erkrankten. 1996 wurden in einem Krankenhauslabor in Texas vorsätzlich Donuts und Muffins verunreinigt, was bei fünfundvierzig Menschen zu einem Ausbruch von Shigella dysenteriae geführt hat.
Vor allem im letzten Jahrzehnt ist die Bedrohung durch Bio-Terrorismus weltweit gestiegen. Man denke nur an die apokalyptische Sekte von Aum Shinrikyo, die im März 1995 in der Tokioer U-Bahn einen Anschlag mit dem Nervengas Sarin verübt hat. Als die Sekte den chemischen Kampfstoff freisetzte, experimentierte sie, möglicherweise zur Vorbereitung eines Biowaffen-Attentats, bereits mit Anthraxbakterien und Botulinustoxin – genau wie Yuri Davydov in dem vorliegenden Roman. Die Anhänger der Sekte waren sogar soweit gegangen, eine Abordnung nach Zaire zu schicken, um zu eruieren, ob sie an das Ebolavirus herankommen und es kampftauglich machen könnten.
Vor ihrer Auflösung im Jahr 1991 unterhielt die Sowjetunion ein geheimes Biowaffen-Programm enormen Ausmaßes – obwohl auch sie 1972 die B-Waffen-Konvention
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