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Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
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diesem Augenblick waren solche Umstände nicht wichtig, und Millar fragte nicht länger danach. Sein Bewußtsein gab sich dem Strom erklärender Impulse hin, die von jenem Volk stammten, das diese Halle erbaut und mit ihrem Erbe versehen hatte, bewacht von ihrem Abbild, dem Hüter der Schätze.
    Millar verharrte, das Standbild im Rücken, und las.
    Euch, die ihr durch eure Klugheit und euren Forschergeist den Weg in diese Halle gefunden habt, übereignen wir, als Vertreter unserer Rasse und unserer Zivilisation, was ihr hier vorfindet. Weder wissen wir, oh dieses Erbe für euch von Nutzen sein wird, noch haben wir Kenntnis von eurer Art, eurer Rasse oder eurer Persönlichkeit. Die Zukunft ist uns doppelt verwehrt, und das Schicksal mag darüber entscheiden.
    Aber die Rasse ist nicht bedeutsam für uns. Wenn unser Volk noch existieren sollte, werden wir selbst schon lange tot sein. Vielleicht war es Eitelkeit, die uns bewegte, die Reste unserer Kultur hier in den Tiefen der Erde zu konservieren. In gewissem Sinne, so gestehen wir, ist es so. Aber ebenso hegen wir die Hoffnung, daß die Trümmer unserer sterbenden Zivilisation für euch eine Lehre sein werden, auf daß die Zukunft euch gehöre, vor der wir versagt haben.
    Dies übergeben wir euch: unsere Geschichte, unsere Künste und unsere Wissenschaft. Aber unsere Wissenschaft kann euch zu primitiv sein, und unsere Kunst mag euch zu plump erscheinen oder geschmacklos. Sollte dies zutreffen, so haben wir euch nichts zu hinterlassen als unsere Geschichte. Möge sie euch Wahrheiten vermitteln, die sie vor uns verbarg. Denn wir sehen unsere Kultur zusammenbrechen, wie schon frühere Kulturen unserer Rasse zerfielen. Die Ursache ist unbekannt und der Grund nicht erkennbar. Unsere Kultur geht dem Verderben entgegen; die Kräfte der Jugend verlassen uns im Alter. Wir wissen nicht warum. Und wahrhaftig, wußten wir den Pfad der Rettung, schöner und größer würden wir unsere Zivilisation erbauen, statt dieses Monument zu errichten. Möge euch Erfolg beschieden sein, worin wir fehlgingen.
    Und solltet ihr das Wissen bereits besitzen, welches wir nicht zu erlangen vermochten, so versteht diese Hallen als hilflose und leere Geste einer Kultur, die den Anforderungen des Schicksals nicht genügte.
    Seid ihr auch nicht Fleisch von unserem Fleisch, so seid ihr doch lebendige Wesen und verdient daher unseren Respekt. Laßt uns auch der Ehre eures Respekts teilhaftig werden.
    Unser Erbe, reichte es uns auch zu diesem Zwecke nicht, soll euch eine Hilfe im Kampf ums Überleben sein. Vielleicht gibt uns nur die Eitelkeit diesen Gedanken ein, aber das schmälert nicht die Aufrichtigkeit dieser unserer Hoffnung. Und laßt es ebenso Anma ßung sein, so glauben wir doch, daß keine Kultur, kei ne Rasse vollständig versagt hat, wenn an sie eine Erinnerung bleibt.
    Die Halle war so ausgedehnt, daß seine Schritte kein Geräusch hinterließen, als Millar sich abwandte und ging; von dem gewaltigen Standbild fort, das er nicht länger als häßlich empfand, sondern als ein Monument von Würde und Größe; vorbei an den langen Reihen schweigender Maschinen, vorbei auch an den Türen, hinter denen die Aufzeichnungen einer toten Rasse ruhten, ein Paradies für Enzyklopädisten.
    Hinter dem Tor verharrte er wie auf einen unhörbaren Ruf, drehte sich um und musterte noch einmal das prächtige Abbild eines Wesens, das nicht menschlich war. Während er so stand, verglomm das Licht und ließ Schatten und Dunkelheit zurück. Langsam erlosch es, bis nur die hintere Wand noch beleuchtet war. Wie ein Planet auf seiner Bahn, erhob sich davor als majestätischer Schatten das Standbild, ein schwarzer Koloß über der eingemeißelten Inschrift.
    Sie kannten den eigenen Verstand nicht so gut wie wir den unseren, dachte Millar.
    Vor seinen Augen schloß sich die Pforte.
    Nieheimer erwartete ihn bereits, als er die obere Halle erreichte. Der Student half ihm mit kräftigen Armen aus der Kapsel. Nebenbei bemerkte Millar, daß die Kapsel ihre schwebende Position nicht veränderte, als sein Gewicht daraus verschwand; möglicherweise blieb der Abstand zwischen Gefährt und Rinne immer konstant.
    »Haben Sie etwas gefunden?« erkundigte sich Nieheimer. Seine Stimme war so hintergründig sachlich, daß er innerlich bestimmt vor Ungeduld schäumte.
    Millar antwortete seufzend.
    »Ich habe gelernt, weshalb wir hier sind und sie nicht«, sagte er, und versuchte die Gedanken, die in seinem Kopf umherwirbelten, in Worte

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