Anthropofiction
Hermann Clarks Sohn wünscht, er wür de sie nicht kennen!« sagten sie.
Miriam sprach mit allen, versuchte zu lachen und würgte etwas Eiscreme und Kuchen hinunter.
»Tschüß, Mädchen«, sagte Tommy und drückte ihre Hand. Draußen dämmerte es.
»Wohin gehst du, Tommy?«
»Nirgendwohin, Dummerchen. Ich werde dich in ein paar Wochen wiedersehen. Vielleicht möchte ich mit dir über etwas sprechen, wenn alles vorbei ist.«
Die Männer waren nacheinander aus dem Zimmer geschlichen. Die Schatten wurden länger, aber niemand im Partyzimmer kam auf die Idee, das Licht anzuknipsen. Die Frauen versammelten sich um Miriam. Mrs. Clarks Augen glänzten. »Und hier ist das beste Geburtstagsgeschenk von allen!« sagte sie und hielt einen Sack mit leuchtend blauen Bändern hoch.
Miriam sah sie fragend an und versuchte ein »Dankeschön« hervorzustammeln.
»Und nun komm mit mir, Liebes!« sagte Mrs. Clark. Voller Angst versuchte Miriam aus dem Raum auszureißen. Mrs. Clark und Helva Smythe schnappten sie am Arm und führten sie sachte aus dem Haus und die Hauptstraße hinunter.
»Ich seh mal nach, ob ich dich in der Nähe von Margy unterbringen kann«, sagte die eine; dann gingen sie weiter durch die Augustdämmerung.
Als sie die Felder erreichten, dachte Miriam erst, die Frauen wären mit der letzten Ernte beschäftigt, aber dann erkannte sie, daß die meisten von ihnen auf kleinen Kisten und Stühlen saßen, stets einige Meter voneinander entfernt.
In den Büschen am Rand sah Miriam viele Männer.
Alle Augenblicke folgte einer von ihnen einem leuchtend gefärbten Band, das zu einer Frau in einem leuchtend weißen Kleid, führte.
Erschrocken drehte Miriam sich zu Mrs. Clark um.
»Warum bin ich hier? Warum? Bitte, Mrs. Clark, sagen Sie es mir!«
»Bist ein bißchen nervös, armes Kind. Das wären wir auch, wenn wir an deiner Stelle wären«, sagte Mrs. Clark. »Ist schon gut, Liebes. Stell dich hier an den Rand und schau eine Zeitlang zu, bis du dich an den Gedanken gewöhnt hast. Denke daran: Der Mann muß ein Fremder sein! Wir werden sonntags, wenn Besuchszeit ist, kommen und dir was zu essen bringen. Alles klar? Und wenn du aufs Feld gehst, versuche einen Platz neben Margy zu kriegen. Es wird das Warten schöner für dich machen!«
»Welches Warten?«
»Na, das Warten einer Jungfrau, Liebes. Bis bald!«
Benommen stand Miriam am Rande des großen, weiten Feldes.
Sie sah ihre kleine Welt durchkreuzt von Hunderten gefärbter Bänder. Sie ging ein wenig näher heran und versteckte ihre Bänder unter ihrem Kleid, um nicht so auszusehen, als ob sie dazugehöre. Zwei Männer kamen auf sie zu, einer ganz manierlich, der andere unrasiert und abstoßend, aber als sie sahen, daß sie das Feld noch nicht betreten hatte, gingen sie wieder zurück und warteten. In ihrer Nähe sah sie die Verkäuferin aus ihrem Geschäft, die ihren Job vor zwei Wochen gekündigt hatte und plötzlich verschwunden war.
Sie war sehr nervös und warf einem jungen Mann, der in der langen Reihe am Feldrand stand, heiße Blic ke zu. Miriam sah, wie der junge Mann ohne etwas zu sagen ihr Band nahm und Geld in ihren Schoß warf. Lächelnd stand das Mädchen auf und die zwei verschwanden in den Büschen.
Direkt vor Miriam sah ein Mädchen mit Hasenscharte und unbeschreiblich häßlicher Haut von ihrem halbfertigen Pullover auf, den sie strickte.
»Tja, da geht wieder eine«, sagte sie zu Miriam. »Die Schönsten gehen immer zuerst. Ich rechne damit, daß jemand sich sagt: ›Da sind keine Schönheiten mehr‹, dann werde ich gehen.« Sie wickelte ihre Wolle auf. »Das hier ist mein vierzigster Pullover.«
Miriam erschrak. Sie wußte nicht, was das Mädchen meinte.
»Ich wäre schon zufrieden, wenn ich einen dieser Fettsäcke da hinten haben könnte«, sagte sie und zeigte auf einen alten Mann, der mit lüsternem Blick heranwankte, »aber gerade diese fetten Typen suchen sich die Schönsten aus. Mensch, du solltest einmal sehen, wenn er mit einer dieser Hochschulköniginnen verschwindet. Laut Gesetz dürfen sie nicht nein sagen.«
Von Neugier gepackt, vor Angst zitternd und steif versuchte Miriam, das Mädchen auszufragen.
»Wo … wohin gehen sie?«
Die Hasenscharte sah sie mißtrauisch an. Ihr Kleid, zerknittert und die längste Zeit weiß gewesen, stank drei Meilen gegen den Wind. »Mensch, weißt du das wirklich nicht?«
Sie zeigte auf das Gebüsch. »Sie gehen pimpern; das ist Gesetz.«
»Mama, Mamamamamama!« Mit wippendem, weißem
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