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Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
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auf einen Hohlresonator im Schlüssel abgestimmt ist. Offensichtlich wollte sie die Gefangenen fotografieren, zu welchem Zweck, kann ich mir nicht vorstellen. Politi sche Erpressung wahrscheinlich. Oder vielleicht glaub te sie, eine Zeitung würde sie für eine Exklusiv-Meldung bezahlen. Wichtiger als ihre Motivation ist, wie sie so viel über die Gefangenen herausfinden konnte, oder auch nur, daß sie überhaupt existieren. Meine Vermutung geht dahin, daß fahrlässig geredet worden ist.« Er vermied es, Lloyd anzusehen, aber die Worte hingen in der Luft.
    Lloyd war begierig, den Hinweis aufzugreifen. Sonst stets gelassen, hegte er jetzt einen Groll, der seit Rapers Anruf ständig gestiegen war. Ferguson war ein ebenso gutes Angriffsziel wie jeder andere.
    »Es ist gut möglich, daß geredet wurde«, wählte er seine Worte. »Ich weiß nicht, ob ich es als fahrlässig bezeichnen soll. Vielleicht ist es Ihnen nie eingefallen – und ich sage das nicht nur zu Joel –, daß es schwierig ist, ein kompliziertes Projekt zu leiten, ohne manchmal darüber zu reden. Und wenn geredet wird, kann jemand zuhören, besonders die Chefsekretärin einer Abteilung. Auch ist da die Sache mit der Korrespondenz. Eine Methode zu finden, wie sie geführt werden kann, ohne gelesen zu werden, dürfte schwierig sein. Eine findige Frau wie Miss Stevenson konnte ein Gutteil Tatsachenmaterial sammeln, ohne mein Büro zu verlassen.«
    Ferguson brauste auf. »Jeder Fetzen interne Korrespondenz wird von der Abwehr durchgesehen!«
    »Ja, aber wie! Ich weiß, daß der gewöhnliche Botendienst durch Ihr Büro gefiltert wird. Geträufelt wäre vielleicht treffender. Aber so bedauerlich es sein mag, Ihren gewissenhaften jungen Leuten fehlt es etwas an wissenschaftlichem Scharfsinn. Nachdem sie die Hinweise ein paarmal aus einem Bericht herauszensiert haben, gilt er als geeignet, persönlich an meinem Schreibtisch abgeliefert zu werden. Tatsächlich ist das unschöne Gezeter über einige der sinnlosen Kniffe der Abwehr geeignet, zu enthüllen, daß mehr als das Übliche geheimgehalten werden sollte. Ferner: der törichte Akt; einen Abteilungschef mit einer persönlichen Sekretärin auszustatten, die für Geheiminformationen nicht zugelassen ist …«
    Hier fiel Raper ein: »Lassen wir die Gegenbeschuldigungen. Joel hat nur versucht, seinen Job korrekt auszuführen.«
    »Aber hat er das? Ihr alle scheint die Tatsache zu übersehen, daß einer der Leute, für die ich verantwortlich bin, verletzt worden ist. Ich hatte den bestimmten Eindruck, die Vorsichtsmaßnahmen zur Bewachung der Gefangenen seien auf die Entdeckung beschränkt!« Lloyd musterte die Gruppe. »Sie finden es sonderbar, daß ich mir Sorgen um Miss Stevenson mache? Zweifellos meinen Sie, daß ihre Handlungsweise sie jenseits allen Mitleids verurteilt, aber Sie vergessen, daß ihre Motive bisher völlig unbekannt sind. Soweit es mich betrifft, ist es eine armselige Interpretation, die die bloßen Fakten für sich sprechen läßt; gewöhnlich sprechen sie nur die eigenen Vorurteile an. Ich werde das Urteil aussetzen, bis ich genau weiß, was das Mädchen getan hat. Ich möchte vorschlagen, die Angelegenheit in der Interpretations-Abteilung zu belassen, bis wir irgendwie daraus schlau werden können.«
    »Der Fall gehört jetzt in die Hände der Abwehr!« Ferguson war wütend.
    »Diesmal wird der Abwehr gestattet, auf ihre Verantwortlichkeiten zu verzichten.« Lloyds überspannter, kategorischer Ton zeigte, daß seine Aussage ein Ultimatum bedeutete. Ferguson sagte keinen Ton; es war kaum zu bezweifeln, daß, wenn es zu Lloyd Bests Rücktritt kam, das Department sich eher von hundert Abwehrmanagern trennen würde. Raper brach das Schweigen:
    »Wir werden es dabei belassen. Lloyd wird Bericht erstatten, wenn er fertig ist.«
     
    Das abgezehrte weiße Gesicht auf dem Hospital-Kissen schockierte Lloyd unsagbar. Merriel Stevenson hatte auf ihn immer einen Eindruck von Vitalität und Lebenslust gemacht, als schäume das Leben in ihr über; er spürte ein überwältigendes Schuldgefühl angesichts der stillen Gestalt. Verlegen um Worte, nahm er einen Stuhl und setzte sich neben sie.
    Merriel regte sich, halbbewußt unter der Narkose, die den Schmerz soweit milderte, daß sie ihn ertragen konnte. »Lloyd«, flüsterte sie, »Lloyd.« Sie schien vergessen zu haben, daß er ein Gegner war. Etwas Tieferes erfüllte sie. Ihr Versagen. Daß sie die Gefangenen im Stich gelassen hatte.
    »Es ist nicht

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