Anthropofiction
begrenzter Satz von Lauten (Phonemen) zu einer unendlichen Anzahl größerer Kombinationen (Morphemen und Sätzen) angeordnet werden kann. Die Sprache operiert auf zwei Ebenen. Die Bausteine der Sprache auf phonemischer Ebene sind in sich bedeutungslos. Diese Phonem-Einheiten, faktisch die Laute einer Sprache, bestimmen in keiner Weise die Begriffe, Gedanken oder Bedeutungen von Sprachen. Der symbolische Aspekt der Sprache taucht auf der nächsthöheren Ebene auf, wenn diese phonemischen Einheiten auf Morphemebene gruppiert und umgruppiert werden. Die Laute, die im internationalen phonetischen Alphabet zum Beispiel durch (t), (i) und (m) dargestellt werden, können einmal so zusammengestellt werden, daß man »team« ausspricht, und auf andere Weise, daß man »meat« ausspricht. Die Phoneme ergeben Worteinheiten, die entsprechend der Grammatik einer gegebenen Sprache ganze Gedankenketten in Form von Sätzen nach sich ziehen können.
Damit haben wir es. Das Bellen, Heulen und Winseln von Hunden kann nicht in Glieder einer phonemischen Struktur zerlegt werden. Wo es keine Phoneme gibt, gibt es auch keine Sprache.
Das betrifft Hunde. Wie steht es mit Delphinen? Dr. Lilly behauptet, Delphine könnten lernen, mit Menschen linguistisch zu kommunizieren, weil sie äußerst gesellige Tiere mit einem großen Gehirn sind, einem Gehirn, das größer sei als das menschliche.
In der Tat ist das Gehirn der Delphine größer als das menschliche Gehirn. Ein Delphin ist ungefähr dreimal so schwer wie ein Mensch! Aber die absolute Größe des Gehirns besagt wenig über die Intelligenz. Wichtiger ist das Verhältnis des Hirngewichts zum Körpergewicht. Für Nachtaffen, Schimpansen, Menschen, Elefanten und gemeine Delphine gelten folgende Zah len (vgl. Buettner-Janusch, 1966:350):
Hirngewicht (in Gramm)
Körpergewicht
(in Gramm)
Verhältnis Hirngewicht : Körpergewicht
Nachtaffe
190
9200
1:84
Schimpanse
400
45000
1:112
Mensch
1300
60000
1:47
Elefant
6000
7000000
1:117
Delphin
1750
150000
1:86
Also ist das Verhältnis Hirn: Körper beim gemeinen Delphin fast identisch mit dem der Nachtaffen! Und niemand hat je angenommen, Nachtaffen könnten die menschliche Sprache erlernen. Der Vergleich ist wirklich angebracht, denn Primaten haben im allgemeinen ein Gehirn von ungefähr der doppelten Größe wie das typische Säugetierhirn, das der Hunde eingeschlossen, bei beliebiger Körpergröße. Sowohl Elefanten als auch Delphine sind in dieser Hinsicht atypische Säugetiere.
Doch ist es nicht notwendig, eine Elefantenkultur bis hin zu Bestattungsbräuchen oder eine Delphinsprache anzunehmen, um zu erklären, was diese seltsamen Tiere mit ihrem Gehirn tun. Wie das Gehirn der Delphine funktioniert, um den Anforderungen der Umwelt zu begegnen, ist noch unbekannt, aber es ist sicher, daß die Forschung erweisen wird, daß symbolisches Verhalten, Sprache und Kultur, nicht Teil dieser Anpassung sind.
Die Fähigkeit des Menschen, zu sprechen, steht in enger Beziehung zu der Tatsache, daß er ein Primat ist. Das Potential für die Sprache ist einfach nicht in dem evolutionären Potential irgendeines anderen Säugetiers vorhanden.
Was den Primaten ihren Vorsprung auf dem Weg zur symbolischen Kommunikation beim Menschen verschafft hat, war ihre Anpassung an das Leben auf den Bäumen. Primaten sind Baumbewohner. Die wenigen auffallenden Ausnahmen wie der Mensch und die Paviane stammen von Baumbewohnern ab.
Das Baumleben ist ein sicheres Leben. Bis zum Erscheinen des Menschen mit seinen Expeditionen nach Primatenskeletten und lebenden Exemplaren für zoologische Gärten waren die Primaten jeder Spezies vor räuberischen Bodenbewohnern sicher. Die Lärmorgi en, denen speziell die Brüllaffen, Guerezas [(afrikan. Stummelaffe)], Gibbons und Schimpansen frönen, trägt zur Sicherheit der ›Primaten-Nische‹ im Dasein bei. Nichts Böses kann ihnen zustoßen, wenn sie durch Lärmen ihren Standort verraten. Das Lallen der Babies ist eine Anlage aus unserem Primatenerbe. Das Lallen bildet nämlich die Grundlage, auf der die Sprache aufbaut.
Die intellektuelle Fähigkeit, Lallen zur Sprache zu formen, muß jedoch den ganz speziellen Merkmalen des Sehvermögens der Primaten zugeschrieben werden. Der Mensch ist wie seine Primatenvorfahren in hohem Maße ein visuelles Tier. Hoch über dem Boden ist die Waldumgebung eine dreidimensionale Umgebung. Die Bewegung darin setzt eine Belohnung für
Weitere Kostenlose Bücher