Anthropofiction
Kultur.
Körper und Verhalten sind zwei in Wechselwirkung stehende Produkte des evolutionären Prozesses – Produkte der Phylogenese. Ein anderes phylogenetisches Produkt ist die ontogenetische Entwicklung, oder lebensgeschichtliche Entwicklung des individuellen Or ganismus vom Beginn bis zur Reifung. Der individuel le Lebenszyklus bei den Affen würde wahrscheinlich die Beherrschung hinreichender Lernerfahrung beschrän ken, die erforderlich ist, um die Intelligenz zu bekunden, die del Rey durch seine Gorillas bekundet wissen will.
Del Rey läßt Harvey Lane bei Gorillas, deren Intelligenz durch Mutation vergrößert worden ist, ein Lernprogramm für Erwachsene in Angriff nehmen. Aber was ist mit der nächsten Gorillageneration? Werden die Eltern imstande sein, ihre Jungen ohne weitere menschliche Hilfe zu unterrichten? Nur das Gehirn des Gorillas hat sich verändert, und während seiner Periode kindlicher Abhängigkeit muß es in das Entwicklungsschema des Gorillakörpers eingesperrt bleiben. Für Affen endet die kindliche Abhängigkeit mit etwa drei Jahren, für Menschen mit ungefähr acht Jahren. Menschen wachsen langsam heran, weil sie viel lernen müssen und eine lange Kindheit brauchen, um alles aufzunehmen. Menschen werden in sehr unreifem Zustand geboren; ihre Abhängigkeit ist ihr Modus der Aufnahmebereitschaft für eine verlängerte Lernerfahrung. Affen werden in einem späteren Stadium der uterinen Entwicklung geboren; sie sind bei ihrer Geburt bereits zu reif, um ihr Verhalten durch Interaktion mit Erwachsenen nachhaltig zu programmieren. Der Lebenszyklus menschlicher Wesen ist als Ergebnis der Evolution einer Programmierung durch das UKM angepaßt, der der Affen nicht.
Es ist unmöglich, von einer Mutation zugunsten erhöhter Erziehbarkeit zu sprechen, wenn die Intelligenz sowohl ontologisch als auch phylogenetisch ganz und gar mit der Geschichte des Körpers verbunden ist. Daher können wir del Reys Geschichte als eine Bestätigung der egalitären Ethik in der amerikanischen Gesellschaft auffassen, die die Erziehung als Lösung aller Probleme ansieht und speziell als Mittel, um peinliche Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen und sozioökonomischen Klassen zu beseitigen.
Bürger zweiter Klasse
Die wissenschaftliche Grundlage seiner Geschichte über einen sprechenden Delphin hat Damon Knight den Untersuchungen von John Lilly entnommen, dessen jüngstes Werk »The Mind of the Dolphin« (Der Geist des Delphins) ist. Dr. Lilly glaubt, der Tümmler (auch Flaschennase genannt) könne, wenn man ihm eine Übersetzungsmaschine für sein Klicken und Klappern gäbe, Englisch sprechen und verstehen lernen.
Delphine sind jedoch nicht imstande, die menschliche Sprache besser zu handhaben als Hunde.
Es ist fast unmöglich, Hundebesitzer zu überzeugen, daß ihren Lieblingen die ausschließlich menschliche Fähigkeit der Sprache mangelt. Hundebesitzer bestehen steif und fest darauf, daß Hunde sie verstehen können und die Verständigung ganz leicht sei. Ja,
Hunde und Menschen verstehen einander wirklich und es stimmt auch, daß Hunde kommunizieren kön nen. Aber während alle dem Menschen bekannte Sprachen eine Form der Kommunikation sind, sind nicht alle Kommunikationsformen sprachlich.
Die Beziehung des Hundes zum Menschen begann in der Nach-Eiszeit, als er sein Partner bei der Jagd wurde. Wilde Vorfahren des Hundes waren in Rudeln umherstreifende Wölfe – soziale Raubtiere. Gezähmt kooperierte der Hund mit menschlichen Jägern, wie er es mit seinen angestammten Kumpanen getan hatte. Hunde waren den Jägern alter Zeiten von Nutzen – und sind es noch für die kleinen Gruppen primitiver Jäger, die heute noch leben – beim Treiben und Aufstöbern des Wildes, bei der Fährtensuche mit Hilfe des Geruchssinnes, beim Erlauschen von Gefahrenlauten, die jenseits der menschlichen Hörschwelle liegen und beim nächtlichen Bewachen des Lagerplatzes. Und mit Hilfe des Menschen ist dem Hund sein Beuteanteil, die Knochen und Eingeweide, sicher.
Sogar als Haustier bleibt der Hund heute für Hundeliebhaber ein enger Gefährte. Hunde und Menschen verstehen einander immer noch, weil sie beide bis vor einigen wenigen tausend Jahren als soziale Raubtiere, die größeres Wild jagten als sie selbst, die gleiche Lebensweise hatten. Menschliche Jäger organisieren ihre Jagdgesellschaften natürlich aufgrund eines hochentwickelten Systems einer vokal-auditiven Signalsprache. Das Bellen eines Hunderudels beruht
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