Anthropofiction
erste Mal, daß sie gesprochen hatte, aber Craven hatte sie schon vorher bemerkt; sie war schlank und hübsch, hielt sich sehr aufrecht.
»So ist es«, sagte er, sie anblickend, »es ist nicht so, daß sie es nicht könnten – sie töten Haie, wissen Sie – aber sie haben es einfach noch nie getan.«
»Sogar wenn die Menschen sie verletzen?« fragte sie. Ihre grauen Augen waren ernst.
»Das ist richtig«, sagte Craven.
»Und ist es wahr, daß viele Delphine im Verlauf dieser Untersuchung getötet worden sind?«
Craven fühlte sich ein wenig irritiert. »Es gab ein paar Unglücksfalle, bevor wir sie richtig zu behandeln lernten«, sagte er knapp. Er wandte sich ab. »Nun wollen wir etwas schwierigeres versuchen. Zeig ihnen das chemische Experiment, Pete.«
Während der Delphin sich wieder dem Arbeitstisch zuwandte, kommentierte Craven: »Dies ist etwas, das Pete gerade erst gelernt hat. Wir sind ziemlich stolz darauf.«
Auf dem Tisch war ein kleiner Ständer mit mehreren, mit Stöpseln verschlossenen Flaschen, ein Becherglas und eine Reihe Teströhrchen. Die Gliederarme mit seinen Brustflossen steuernd, griff der Delphin zu, hob eine Flasche hoch und zog den Stöpsel heraus. Ein Satz seiner metallenen Greifer hielt die Flasche; der andere hob ein Reagenzglas auf. Langsam ließ Pete den Inhalt der Flasche in das Reagenzglas fließen. Es füllte sich und floß über. Der Delphin schaukelte nervös aus seinem Karren vor und zurück.
»Okay, Pete«, sagte Craven beruhigend, »werde nicht nervös, es ist alles in Ordnung, mach weiter!«
Der Delphin setzte die Flasche mit einem Klirren ab und goß den Inhalt des Reagenzglases in den Becher. Die Zangen griffen nach einer anderen Flasche, glitten ab und versuchten es wieder. Sie hielten die Flasche beim zweiten Versuch, kippten sie, aber verfehlten das Reagenzglas. Den Fehler zu stark korrigierend, schlug der Delphin Flasche und Reagenzglas aneinander, und das Reagenzglas zerbrach. Die entleerte Flasche fiel herab.
Der Delphin bewegte seinen Karren zurück, schwenkte ihn zu Craven herum. »Zu schwer, Charles«, sagte er kläglich, »zu schwer.«
Cravens Fäuste ballten sich vor Enttäuschung. Die Kreatur hatte es die letzten drei Male perfekt geschafft! »Mach dir nichts draus, Pete«, sagte er, »es ist okay, du hast es schön gemacht. Geh jetzt raus und spiele.«
»Alls fertich?« fragte Pete.
»Ja, Wiedersehen!«
»Wiedersehen!« Der Delphin rollte seinen Karren herum, glitt herüber zum Rand des Kanals. Die Gliederarme zogen sich zurück. Das Wagenlager kippte langsam; der Delphin glitt hinab ins Wasser, fast ohne ein Platschen. Man sah ein kurzes Aufblitzen seines grauen Körpers, der unter der Wasseroberfläche dahinschoß; dann war der Kanal leer.
Auf dem Weg hinab zum Wasserflugzeug stellte Craven fest, daß er neben dem grauäugigen Mädchen ging. »Nun, was halten Sie von all dem?« fragte er sie.
»Ich hielt es für pathetisch «, sagte sie. Ihre grauen Augen waren entrüstet. »Sie reden davon, sie in die menschliche Gemeinschaft eintreten zu lassen. Das ist völlig falsch! Er ist ein Delphin, kein Mensch. Er hat sich so sehr bemüht, aber das beste, in das Sie ihn verwandeln konnten, war etwas wie ein zurückgebliebenes, verkrüppeltes Kind. Er hat mir so leid getan.«
Stunden, nachdem die Besucher gegangen waren, war Craven noch immer unruhig. Er erinnerte sich dauernd daran, was das Mädchen gesagt hatte; es lag gerade genug Wahrheit darin, um es unter der Oberfläche schwelen zu lassen. Seine Kopfschmerzen hatten sich nicht gelindert; das Sonnenlicht war noch immer erdrückend. Er strich durch seine Unterkunft, blickte voller Mißfallen auf die Schlagzeilen der einen Tag alten Miami-Zeitung, schaltete schließlich den Fernsehapparat an.
»… die Abkürzung bedeutet ›nichtradioaktive Hitzespeicher‹«, sagte ein pausbackiger grauhaariger Mann gerade, wobei er jedes Wort deutlich aussprach. »Nun ergibt sich die Frage, was die Konsequenz für uns wäre, wenn diese Waffen –«
Seine Stimme war plötzlich abgeschnitten, und ein Dia füllte den Bildschirm: Sondermeldung. Für einen Augenblick geschah nichts weiter. Craven zündete eine Zigarette an und wartete geduldig: Wahrscheinlich war es wieder etwas über die endlosen Friedensgespräche in Neu Delhi.
Eine Stimme sagte plötzlich: »Wir unterbrechen dieses Programm, um Ihnen –« Dann brach sie ab und das Dia verschwand. Nichts als ein Raster war auf dem Bildschirm und nichts außer
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