Anthropofiction
spannte sich, aber es war nur Pete, der ihn mit freundlicher Neugierde anblickte.
Nicht weit entfernt hatte sich der Schwarm der Blaufische neu formiert. Plötzlich schwenkte der Delphin herum und schoß mit einer trägen Bewegung seiner Flossen davon. Einen Augenblick später glitt er mit einem fetten Blaufisch in seinen Kiefern zurück.
»Siehstu, Charles«, sagte er freundlich, »so fängt man ein Fiss …«
Unvollendete Evolution
Eine der Tatsachen an der Evolution, die am häufigsten übersehen wird ist die, daß sie immer noch weitergeht. Wir selbst sind der beste Beweis. Andere Tiere müssen sich uns anpassen oder sterben. Der Mensch rottete die Wandertaube aus, schaffte beim amerikanischen Bison fast dasselbe und erzielte bei der Eliminierung des Kranichs gute Resultate. Weniger dramatisch als die Vernichtung sind die schrittweise erfolgenden Veränderungen wie beispielsweise bei den ehemals weißen Schmetterlingen, die in englischen Industriegebieten nun leichter überleben können, seit ihre Flügel rußig-grau gefärbt sind. Akzeptieren wir die Tatsache, daß die Menschheit sich aus ziemlich brutal aussehenden Vorfahren entwickelt hat, müssen wir auch zugeben, daß die Evolution immer noch weitergeht und wir uns immer noch entwickeln – worauf zu? H. G. Wells stell te sich diese Frage 1893, und weil er eben Wells war, beantwortete er sie mit ›Der Mensch im Jahre 1000000 A. D. ‹. Obwohl als Erzählung geschrieben, war er sich sicher genug, sie mit dem Untertitel ›Ein wissenschaftlicher Vorausblick‹ zu versehen. Gleichzeitig wußte er aber auch genug über seine zeitgenössische Leserschaft, und vermied es, seinen Namen darunterzusetzen.
Wells hatte recht. Seine Vision über unsere wahrscheinlichen Nachkommen wurde negativ aufgenommen, und irgendein anonymer Hinterhofpoet kam sogar eine Woche später in der satirischen Zeitschrift Punch mit dem Spottgedicht ›1000000 A. D.‹ zu Wort.
Heute sind wir etwas nachsichtiger, und Morton Klass – selbst ein Anthropologe – hat nicht gezögert, seinen Namen unter ›Am Anfang‹ zu setzen. Er erwägt die Möglichkeit, wir könnten unsere eigene Evolution durch den Gebrauch biotechnischer Steuerung beeinflussen und überlegt, wie die Ergebnisse aussehen könnten.
Carleton S. Coon geht sogar noch weiter. In ›Die Zukunft der menschlichen Rassen‹ untersucht er die erregenden und durchaus realen Möglichkeiten, unsere Evolution zu formen, und damit liefert er Stoff für mindestens ein Dutzend Science-Fiction-Stories.
H. G. Wells
Der Mensch im Jahre 1000000 A.D.
Ein wissenschaftlicher Vorausblick
Festgeschriebene Literatur ist ohne Zweifel auf ihre Art recht gut, aber wesentlich faszinierender für den Leser sind jene Bücher, die nie geschrieben wurden. Diese letzteren sind nicht schwer zu handhaben; es gibt keine Seiten umzublättern. Man kann sie in schlaflosen Nächten gar ohne Funzel lesen. Der primitive Mensch, wollten wir uns diesem Gegenstand zuwenden, ist in den Werken der beschreibenden Anthropologen sicherlich eine unterhaltsame und drollige Person; aber der Mensch der Zukunft, hätten wir nur das notwendige Wissen, würde unser Interesse weitaus stärker wecken. Doch wo sind die Bücher über ihn? Wie Ruskin irgendwo sagte, in bezug auf Darwin, nicht was der Mensch war, sollte uns interessieren, sondern was er sein wird.
Der Leser, in seinem bequemen Sessel diesen Worten nachhängend, erblickt plötzlich in der Glut des Kaminfeuers, durch den blauen Dunst seiner Pfeife, eines dieser großartigen ungeschriebenen Bücher. Es ist außergewöhnlich dick und sehr gelehrt geschrieben, scheinbar von Professor Holzkopf, wahrscheinlich Professor in Weißnichtwo. ›Die notwendigen Eigenschaften des Menschen der fernen Zukunft, gefolgert aus den Tendenzen der Gegenwart‹, lautet der Titel. Der ehrenwerte Professor, so stellt der Leser bei seinen Bemühungen um das Thema fest, ist streng wissenschaftlich in seiner Methode, und in seinen Schlußfolgerungen sorgfältig und vorsichtig; und, um es gleich zu sagen, die Ergebnisse sind bemerkenswert. Wir können uns den vortrefflichen Professor vorstellen, wie er die Probleme ausführlich und umfangreich darstellt, aber der Leser – im Besitz des einzigen Exemplars – hat natürlich die Freiheit, dem wissenschaftlich nicht gebildeten Interessenten besondere Erläuterungen und Vereinfachungen zu geben, wie er es für notwendig hält. Hier jedoch ein Beispiel von erhellender
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