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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Piloten beabsichtigten Geschwindigkeit gelandet sein.
»Gütiger Gott, Sir Josiah«, sagte ich zu Traveller,
»diese ganze Konstruktion ist ja eine reine
Improvisation.«
    »Man braucht mehr Mut, in einem solchen Gefährt in die
Lüfte zu steigen, als mit der Phaeton zum Mond zu
fliegen«, stellte Traveller fest. »Die Einwohner von Paris
müssen wirklich verzweifelt sein, wenn…«
    »Im Grunde«, so ertönte hinter uns eine
französische Stimme aus der Ballonhülle, »versucht
dieser Pariser nur verzweifelt, seinen Auftrag auszuführen, ohne
dabei von den arroganten Bemerkungen irgendwelcher Engländer
belästigt zu werden, und – au!«
    Traveller und ich sahen uns besorgt an, und dann liefen wir um den
zusammengefallenen Ballon herum.
    Der Ballonkorb war nicht mehr als ein großer geflochtener
Wäschekorb, der mit Lederriemen an der Hülle befestigt war.
Der Korb lag auf der Seite, und Rollen und Bündel hatten sich
über den weichen Erdboden ergossen; und inmitten dieses ganzen
Chaos saß ein junger Mann. Er war ungefähr so groß
und so alt wie ich und hatte einen aparten gallischen Teint. Er trug
die schlichte, gedeckte Kleidung des Städters; so hätte man
ihn zum Beispiel für einen Bankangestellten halten können.
Nun aber war sein graues Jacket zerrissen und lehmverschmiert. Er
hatte das linke Bein ausgestreckt und wollte sich am Boden
abstützen, um aufzustehen; aber jedesmal, wenn er das Bein auch
nur leicht belastete, zuckte er schmerzerfüllt zusammen.
    Traveller beugte sich zu ihm hinunter, um das verletzte Bein zu
untersuchen. »Ihr müßt hier liegenbleiben«,
sagte ich auf englisch. »Euer Bein ist offensichtlich verletzt,
und…«
    »Mein Name ist Charles Nandron«, erwiderte er auf
französisch. »Ich bin Deputierter der Regierung der
Nationalen Verteidigung. Sir, Ihr befindet Euch zweifellos unbefugt
auf französischem Boden; Ihr werdet deshalb die Höflichkeit
besitzen, in der Landessprache mit mir zu sprechen, oder aber gar
nicht – au!« Nandron warf den Kopf zurück und
biß die Zähne zusammen.
    In fließendem Französisch stellte ich mich und
Traveller vor. »Wir sind mit der Phaeton hergekommen, bei
der es sich um ein Anti-Eis…«
    »Ich habe kein Interesse an englischen Geräten«,
sagte der Deputierte schnaufend. »Ich habe mein Leben riskiert,
um mich mit unserer Provinzregierung in Tours in Verbindung zu
setzen…«
    »Wenn Ihr jetzt nicht stillsitzt und Euch um das Bein
kümmert, junger Mann«, sagte Traveller in seinem
stakkatoartigen Englisch, »werdet Ihr für lange Zeit mit
niemandem mehr Verbindung aufnehmen, höchstens mit ein paar
Winzern.« Er drehte sich zu mir um und sagte: »Ich bin zwar
kein Arzt, aber ich glaube nicht, daß es gebrochen ist –
nur eine Aufschürfung und eine böse Verstauchung. In der Phaeton habe ich Mullbinden und Breipackungen; haltet Ihr den
überheblichen jungen Gentleman davon ab, davonzukriechen, bis
ich die Sachen geholt habe.«
    Ich nickte knapp. Als Traveller davonstiefelte, ließ Nandron
seinen arroganten Blick in einer Anwandlung von Neugier über Sir
Josiahs Platinnase schweifen; aber bald widmete er sich wieder der
Luftraumüberwachung.
    »Wir sind in Manchester nur lückenhaft über die
Lage in Paris informiert«, sagte ich auf französisch,
»und müssen uns dabei im wesentlichen auf die Berichte
stützen, die von kühnen Blockadebrechern wie Euch
übermittelt werden – wobei natürlich immer noch genug
Raum für Spekulationen bleibt.«
    Er nickte und schloß die Augen. »Paris ist in
größter Bedrängnis. Die Preußen planen
eindeutig, die Stadt durch Aushungern zur Aufgabe zu
zwingen.«
    »Erreichen euch dort Nachrichten vom Fortgang des
Krieges?«
    »Wir wissen, daß Bismarck ganz Frankreich nördlich
und westlich von Orleans besetzt hat, mit Ausnahme von Paris.
Frankreich steht und fällt mit Paris; aber diesmal werden wir
die Invasoren vertreiben…«
    »Ja. Und existiert denn eine Armee innerhalb der Mauern der
Stadt?«
    »Eine Bürgerarmee, Sir. Die Nationalgarde ist auf
über dreihunderttausend Mann verdoppelt worden; praktisch jeder
wehrfähige Mann in der Stadt hat sich erhoben, um sein Land zu
verteidigen. Selbst von uns Politikern wird erwartet, daß wir
in die Bresche springen.«
    Ich musterte sein stolzes Gesicht, das jetzt
schweißüberströmt war vor Schmerz, und
überlegte, daß, wenn man die Historie des einer Hydra
gleichenden Pariser Mobs betrachtete, diesen glücklosen
Politikern wahrscheinlich wirklich nichts

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