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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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legte der Kammerdiener eine
deutlich verbesserte Haltung an den Tag, als er diesen Aufgaben
nachging.
    Ich vermutete, daß Josiah Traveller möglicherweise mit
einer größeren Menschenkenntnis gesegnet war, als er sich
selbst bewußt war.
    Wie ich bereits wußte, verbargen sich Wunder ohne Zahl
hinter der lederüberzogenen Wand der Raucherkabine; aber dennoch
hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß ich
hier ein so behagliches, heißes Vollbad nehmen könnte wie
in jedem durchschnittlichen englischen Herrenclub.
    Pocket zog einen Abschnitt des Orientteppichs zurück und
legte einige Bretter frei; diese falteten sich auf und bildeten eine
ungefähr fünf Fuß hohe Abschirmung, hinter der ich
ungestört meine verschmutzte Kleidung ablegen konnte. Der unter
diesen Brettern befindliche Boden war mit einander überlappenden
Gummimatten ausgelegt, und in den Boden waren Wasserhähne
eingelassen. Pocket betätigte diese Hähne – wobei er
den Körper seltsam verrenkte –, und unter dem Boden
ertönte das Rauschen fließenden Wassers. Schließlich
legten sich eine angenehme Wärme und ein paar Dampfschwaden
über die Gummimatten und verliehen der Szenerie die
Atmosphäre eines Badehauses.
    Als das Wasser eingelassen war, schlüpfte ich auf Pockets
Geheiß zwischen die Gummimatten. Ich tauchte bis zum Kopf in
das Wasser ein, wobei seine Temperatur an der oberen Grenze dessen
lag, was noch als wohltemperiert gelten konnte. Die Badewanne selbst
– vom Gefühl her mußte sie die Form und
Größe eines Sarges haben – befand sich unter dem
Gummi, und die einander überlappenden Matten hielten das Wasser
zurück, das andernfalls in die Kabine entschwebt wäre. Ich
lag da und spürte, wie die Schmerzen aus meinem geschundenen
Körper wichen. Und als der tapfere Pocket mir einen Brandy
brachte – der sich in einem Fläschchen befand, das mit
einem kleinen Gummimundstück verschlossen war, durch den man die
Flüssigkeit saugte – und als der unglaubliche Duft
kochenden Fleisches – und die Klänge von Klaviermusik!
– über meinen Paravent drangen, schloß ich die Augen
und konnte mir kaum vorstellen, daß ich mich in diesem
Augenblick in einer kleinen Metallbüchse befand und mit
fünfhundert Meilen pro Stunde durch das All wirbelte.
    Ich stieg aus der Badewanne und ließ mich von Pocket
abtrocknen. Danach zog ich mich wieder an, mit neuerlicher
Unterstützung von Pocket. Meine Kleidung war, wenn auch nur
oberflächlich, gereinigt und ausgebürstet worden und
vermittelte mir wieder das Gefühl von Frische und
Behaglichkeit.
    »So, Pocket; und wie fühlst du dich nun?«
    »Wieder besser, danke, Sir«, sagte er in
offensichtlicher Verlegenheit.
    »Wie beurteilst du denn die Situation? Hast du früher
schon solche Abenteuer mit Sir Josiah erlebt?«
    Pockets schmallippiger Mund verzog sich. »Wir haben schon
einige Dinger erlebt, kann ich Euch sagen, Sir«, meinte er,
»aber noch nichts wie das hier… Ich habe zwei Enkelkinder,
Sir«, platzte es auf einmal aus ihm heraus.
    Ich strich mein Jacket glatt. »Keine Sorge, alter Freund. Ich
bin ganz sicher, daß Sir Josiah bald einen Weg findet, dich
wieder mit deiner Familie zu vereinen.«
    »Er ist ein höchst einfallsreicher Mann«,
versicherte Pocket; und mit gewandten Bewegungen – er schien
sich bereits an den Zustand der Schwerelosigkeit zu gewöhnen
– faltete er den Paravent zusammen.
    Ich berührte seine knochige Schulter. »Sag mal«,
meinte ich. »Weiß Traveller denn von deiner –
Behinderung?«
    »Ich vermute, daß Ihr ihn nicht allzu gut kennt, Sir.
Ich bezweifele stark, daß er so etwas überhaupt zur
Kenntnis nimmt.«
    Ich war schon gar nicht mehr sonderlich überrascht, als ich
sah, daß Traveller ein kleines Piano aus der Kabinenwand
ausgeklappt hatte; er schwebte vor ihm, wobei er einen Fuß
hinter ein ausgeklapptes Bein gehakt hatte, und spielte die flotten
Melodien, die ich schon früher gehört hatte. Holden lag
noch immer auf dem Teppich; er betrachtete Traveller mit einem
verstörten Gesichtsausdruck und fühlte sich von den vier
unfreiwilligen Reisenden gegenwärtig am unbehaglichsten.
    Er wandte sich mir zu und rang sich ein Lächeln ab.
»Habt Ihr Eure Wunden also kuriert?«
    »Zumindest gelindert; danke.« Ich nickte Traveller zu.
»Welche Wunder hat der Mann denn noch in petto?«
    Holden runzelte die Stirn. »Was mich verblüfft, ist
weniger die Tatsache, daß er im Weltraum Piano spielt – in
dieser Hinsicht kann mich überhaupt nichts mehr

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