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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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leicht mit dem oberen Abschnitt der
gekrümmten Wandung der Kammer. Ich griff mit beiden Händen
hinter mich und suchte nach einem Halt, aber die Finger glitten
bloß über die frustrierend glatte Ledertapete, und es
gelang mir nur, mich so weit nach vorne zu schieben, daß ich
kopfüber in der Luft hing. Jetzt schien es mir, als ob Holden
auf absurde Art an der Decke klebte und Pocket in den Gurten seines
Sitzes hing, während das Modell der Great Eastern wie ein
nautischer Kronleuchter in der Vitrine baumelte.
    Mir drehte sich der Magen um.
    Eine kräftige Hand schoß vor und packte meinen Arm.
»In Gottes Namen, Wickers, behaltet Euer Frühstück bei
Euch; wir bekommen die verdammte Kabine sonst nie wieder
sauber.«
    Es war Traveller. Mit seinen von Sicherheitsgurten umwickelten
knochigen Fußgelenken sah er wie ein befrackter Affe aus. Er
drehte mich um hundertachtzig Grad, was mir Unbehagen verursachte,
und schleuderte mich dann zu Boden. Ich landete in der Nähe
eines Stuhls; mit Erleichterung packte ich ihn, zog mich hinab und
gurtete mich an.
    Traveller hatte während seines Einsatzes den Zylinder
verloren. Er hing in der Luft und rotierte wie ein
Löwenzahnsamen; mit einem gereizten Grunzen schlug Traveller um
sich, bis der Hut in seine Arme segelte, und dann stülpte er ihn
sich wieder auf den Kopf.
    Nachdem wieder ein gewisser Zustand der Normalität
hergestellt worden war – abgesehen von der störenden
Neigung meiner Beine, immer wieder in die Luft zu entschweben –,
sagte ich mit einer angesichts der Umstände beachtlichen Ruhe zu
Holden: »Ich hege keinen Zweifel, daß es für all das
eine rationale Erklärung gibt.«
    »Oh, in der Tat.« Er fuhr mit der Hand über sein
schwarzes Haar und verlieh ihm eine vergleichsweise ordentliche
Fasson. »Obwohl ich vermute, daß Euch diese Erklärung
nicht gefallen wird.«
    Traveller schwebte erneut vor einem blau illuminierten Bullauge
(wie ich sah, handelte es sich hierbei um ein anderes Fenster, und
daraus schloß ich, daß das blaue Licht am Schiff
vorbeigewandert war). »Sir Josiah«, sagte ich laut,
»da Ihr dafür verantwortlich seid, daß wir hier in
dieser fliegenden Kalesche eingeschlossen sind, glaube ich, Ihr
schuldet uns ein paar Erklärungen bezüglich unserer
Situation.«
    Traveller stand – oder vielmehr schwebte er –
lässig in der Luft, wobei eine Hand auf dem Vorsprung des
Bullauges ruhte. Er zog sein Kästchen aus einer Tasche,
öffnete es, entnahm eine Zigarette, und dann zündete er
– wobei er das Kästchen mitten in der Luft schweben
ließ! – ein Streichholz an, woraufhin bald Schwaden
beißenden Rauches durch die Luft waberten. Dann steckte
Traveller das akrobatische Kästchen gnädigerweise wieder
weg. »Woran es nur liegt, daß die jungen Männer
manchmal so verdammt großspurig sind? Unsere Situation ist doch
offensichtlich«, sagte er dezidiert.
    Ich setzte schon zu einer geharnischten Erwiderung an, als Holden
diplomatisch intervenierte. »Ihr müßt unsere
unwissenschaftlichen Professionen berücksichtigen, Sir; die
Dinge erklären sich uns nämlich nicht immer von selbst, wie
das vielleicht bei Euch der Fall ist.«
    »Wäret Ihr«, sagte ich frostig, »zum Beispiel
so gütig, uns eine Erklärung für dieses verdammte
Inder-Luft-Schweben zu geben. Ist das vielleicht ein Phänomen,
das mit dem Flug durch die Luft zu tun hat?«
    Traveller rieb sich die Nasenwurzel, die sich noch im
Originalzustand befand. »Gütiger Gott, was bringen sie euch
heutzutage in der Schule nur bei? Sind denn die Forschungen von Sir
Isaac Newton ein Buch mit sieben Siegeln für Euch?«
    »Bitte beschreibt, wie der bedeutende Sir Isaac es anstellt,
daß Ihr wie ein menschliches Staubkorn in der Luft
schwebt«, verlangte ich starrköpfig.
    »Ich habe die Motoren der Phaeton abgeschaltet«,
sagte Traveller. »Vielleicht seid Ihr gewahr geworden, daß
das Hintergrundgeräusch sich verändert hat.«
    Ich war konsterniert; denn bis Sir Josiah mich darauf hingewiesen
hatte, war mir die in der Kabine herrschende Stille überhaupt
nicht aufgefallen.
    Mein Herz machte einen Sprung. »Dann sind wir also wieder
gelandet. Aber wo?« Ich schaute aus den verdunkelten Fenstern
– und bemerkte, daß das seltsame blaue Licht sich erneut
verschoben hatte, so daß es nun wiederum durch ein anderes
Bullauge schien. »Es ist Nacht draußen. Sind wir etwa in
eine Region der Dunkelheit gereist?« Meine Gedanken
überschlugen sich; vielleicht waren wir in Nordamerika

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