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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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aber meine behandschuhten Finger rutschten nur
über das Metall, und dann taumelte ich hilflos aus der Phaeton und stürzte in den leeren Raum hinaus!
    Plötzlich war nichts mehr über, neben und unter mir; und
dann verlor ich für kurze Zeit die Kontrolle über meine
Reaktionen. Ich schrie um Hilfe – was im Vakuum des Raumes, das
den Schall nicht leitete, natürlich ungehört verhallte
– und ich schabte wie ein Tier am Anzug und den
Luftschläuchen.
    Diese erste Reaktion ging indessen vorüber, und durch die
Kraft des Willens versetzte ich mich wieder in einen halbwegs
rationalen Zustand zurück.
    Ich schloß die Augen und versuchte die Atmung zu
stabilisieren, wobei ich befürchtete, die Luftzufuhr zu
überlasten. Schließlich befand ich mich nur noch in einem
Schwebezustand, ein Gefühl, mit dem ich nach so vielen Tagen
bestens vertraut war, und ich beruhigte mich mit der Illusion, hinter
der Aluminiumhülle der Phaeton in Sicherheit zu sein.
    Vorsichtig beugte ich die Ellenbogen und Knie. Wegen der
eingeschlossenen Luft waren die Gelenke des Anzugs deutlich steifer
als im Innern des Schiffes, und in den Fingern und Zehen kribbelte
es, was auf Durchblutungsstörungen hindeutete. Insgesamt hatten
sich Travellers ausgefeilte Sicherheitsvorkehrungen jedoch als
erfolgreich erwiesen.
    Mit frischem Mut öffnete ich die Augen – und stellte
fest, daß ich aufgrund beschlagener Helmfenster praktisch blind
war. Hinter diesem Dunst machte ich je einen verschwommenen
weißen und blauen Fleck aus, bei denen es sich um die Sonne und
die Erde handeln mußte; und ich gelangte zu dem Schluß,
daß ich mehrere Yards vom Schiff entfernt im Vakuum treiben
mußte. Ich hob die behandschuhten Hände und wischte
über das Helmglas, aber das Kondensat befand sich natürlich
im Innern des Helms. Und wie ich abrupt realisierte, verfügte
ich über keinerlei Möglichkeit, diesen Beschlag zu
entfernen; mein eigenes Gesicht war so unerreichbar für mich wie
die Mondberge!
    Diese Erkenntnis verursachte mir natürlich einen anhaltenden
Juckreiz in Nase, Ohren und Augen; entschlossen verdrängte ich
das. Aber meine Blindheit war ein ernsteres Problem, und ich
verspürte Konfusion. Nach kurzer Zeit hatte ich jedoch den
Eindruck, daß der Beschlag verschwand, und ich fragte mich, ob
die zirkulierende Luft die Scheiben freiblies. Ich beschloß,
noch ein paar Minuten zu warten und während dieser Zeit so flach
wie möglich zu atmen, um zu sehen, ob die Sicht besser
wurde.
    Schließlich war der Beschlag so weit von den Scheiben
verschwunden, daß ich hindurchsehen konnte, aber ganz klar
wurde die Sicht nie. Infolgedessen gelangte ich zu der
Überzeugung, daß dieses Problem des Beschlagens, das
selbst der geniale Traveller übersehen hatte, ein
größeres Hindernis bei der zukünftigen Kolonisierung
des Weltraums darstellen würde. Aber die gleichmäßige
Atmung, die ich für einige Minuten aufrechterhalten hatte,
wirkte sich indessen beruhigend auf mich aus.
    Als die Scheibe nun halbwegs freie Sicht bot, schaute ich mich
furchtsam an meinem neuen Standort um.
    Ich trieb in einem Himmel, der völlig schwarz war; nicht
einmal Sterne leuchteten, denn die Sonne – eine zu meiner Linken
hängende Kugel, die zu grell war, als daß ich sie direkt
hätte anschauen können – blendete alle anderen Objekte
aus. Es gab natürlich keine Wolken, und aufgrund der fehlenden
Atmosphäre nicht einmal den schwachen azurblauen Stich einer
dunklen irdischen Nacht.
    Vor mir hing kalt und öde der Mond, dessen Meere und Berge in
scharfen Grautönen konturiert waren. Ich wandte mich der Erde
zu, einer wundervollen Skulptur in Blau und Weiß; der Kleine
Mond war ein Lichtfleck, der tief über das sonnenbeschienene
Antlitz des Globus kroch. Die Umrisse der Kontinente waren klar zu
erkennen – wie ich sah, war es jetzt Mittag in Nordamerika
–, und es hatte den Anschein, als ob der Planet eine große
Sonnenuhr wäre, die zu meiner Unterhaltung aufgehängt
worden war.
    Aus meiner erstaunlichen Höhe konnte ich kaum glauben,
daß in diesem Augenblick, als die Sonne über Europa
aufging, die Armeen Frankreichs und Preußens sich erneut
anschickten, übereinander herzufallen. Wie absurd ein solcher
Schrecken, ein solcher Schmutz aus dieser erhabenen Höhe
anmuteten! Vielleicht, so überlegte ich mit einem Anflug
überheblichen Stolzes, hatte ich bereits die Perspektive der
Götter erlangt; vielleicht würden Krieg, Neid und Habgier
aus unseren Herzen verbannt werden,

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