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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Travellers Bromid locker.
    Der erste Abend kam mich schwer an, denn Traveller untersagte mir
dezidiert, Alkohol zum Abendessen zu genießen; und als ich in
der verdunkelten Kabine auf meiner Pritsche lag, pochte mein Herz,
und an Schlaf war überhaupt nicht zu denken. Nachdem ich
vielleicht eine Stunde lang so dagelegen hatte, stand ich auf und
beschwerte mich bei Traveller. Unter erheblichem Protestgegrummel
erhob er sich – der Bommel an seiner Schlafmütze driftete
hinter ihm her, als er durch die Luft schwebte – und schenkte
mir einen starken Schlummertrunk ein. Nachdem ich den hinuntergekippt
hatte, fiel ich in einen traumlosen Schlaf; und am nächsten
Abend verabreichte Traveller mir noch einmal die gleiche Dosis.
    So begab es sich, daß ich am 15. August 1870 irgendwo
jenseits der irdischen Atmosphäre erwachte, mit entschlacktem,
gesäubertem und entspanntem Körper und bereit, mich allein
in die endlose Leere hinter der Hülle der Phaeton zu
wagen.
    Traveller ordnete an, daß ich mich bis auf die Unterhose
entkleidete, und dann gab er mir ein schmieriges, ranzig riechendes
Öl, mit dem ich den ganzen Körper vom Hals abwärts
einreiben sollte. »Das ist ein Extrakt aus Walfett«, sagte
er. »Es dient drei Zwecken: Erstens der Pflege der Haut;
zweitens verhindert es die Auskühlung des Körpers; und der
dritte und wichtigste Zweck besteht darin, eine Isolierschicht
zwischen Eure Haut und das Material des Schutzanzuges zu
legen.«
    Holden schien das nicht ganz zu begreifen. »Dann befindet
sich also keine Luftschicht zwischen dem Schutzanzug und Neds
Körper?«
    »Eine solche Schicht würde sich unter dem Druck der in
ihr enthaltenen Luft wie ein Ballon aufblähen«,
erläuterte Traveller. »Sie würde komprimieren und den
Raumreisenden zur Bewegungsunfähigkeit verurteilen, als ob er in
einer maßgeschreinerten Kiste eingesperrt wäre.« Er
streckte Arme und Beine in der Luft aus und zuckte unkoordiniert mit
den Fingern, um uns eine derart mißliche Lage zu
veranschaulichen.
    Es lag außerhalb meines Vorstellungsvermögens,
daß Luft – unsichtbar, ohne Masse – eine solche Kraft
ausüben könnte.
    Als ich mich eingeschmiert hatte, öffnete Pocket den
Luftschrank und holte Travellers patentierten Raumanzug hervor. Der
Anzug bestand aus einem Innen- und einem Außenteil; das
Innenteil – einteilige Unterwäsche, Handschuhe und
stulpenartige Strümpfe – bestand aus Gummi. Traveller wies
mich an, jegliche zwischen dem Gummi und meiner Haut befindliche
Luftblase zu zerdrücken. Zum Glück entsprach meine Statur
zumindest in etwa der von Traveller, für den der Anzug
angefertigt worden war, und das Innenteil paßte auch ganz
passabel und zwickte nur am Ellenbogen und in der Kniebeuge.
    Dann wurde ein robuster Gurt aus Gummi und Leder um meinen
Oberkörper gewickelt. Dieses korsettähnliche Ding spannte
unangenehm, aber wie Traveller erklärte, würde dieser Gurt
meine Brustmuskulatur bei der Atmung unterstützen, die ja ohne
äußeren Luftdruck erfolgen mußte.
    Jetzt schlüpfte ich in das Außenteil, bei dem es sich
um eine einteilige Kombination mit Fausthandschuhen und
Überschuhen handelte. Wie Traveller erläuterte, wurde aus
dem Grund Leder verwendet, weil das Gummi mit der Zeit austrocknete
und im Vakuum spröde wurde. Das augenscheinlichste Merkmal der
Kombination war indes, daß sie versilbert war; durch eine
spezielle Behandlung war sie mit einer Silberbeschichtung
überzogen worden, so daß sie aus Quecksilberfäden
gewoben zu sein schien. Nach Travellers Worten sollte das vor der
direkten Sonneneinstrahlung schützen, und ich verstand
allmählich die paradoxen Bedingungen, mit denen sich der
Weltraum-Ingenieur auseinandersetzen mußte: Direktes
Sonnenlicht ist ohne die Schutzschicht der Atmosphäre
schädlich und muß neutralisiert werden, aber gleichzeitig
entweicht Wärme von jedem schattigen Ort, weil es keine
Luftschicht gibt, die sie zurückhielte.
    Das Außenteil wurde vorne geöffnet, und ich stieg
ungelenk hinein. Der Anzug wurde am Hals von einem Kupferkragen
abgeschlossen, der gerade so breit war, daß mein Kopf
hindurchpaßte. Dieser Kragen schloß auch mit dem
Innenteil ab und bildete eine Dichtung; die Luft wurde aus dem Raum
zwischen Innen- und Außenteil verdrängt, wobei letzteres
durch Verschlüsse und Gurte verstärkt wurde.
    Ich hob die im silbrigen Handschuh steckende Hand. »Ich
fühle mich komisch. Eingeschmiert und in dieses
Kleidungsstück mit seinen leichten Handschuhen

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