Anti-Eis
vorhersehen
müssen.
In seiner Hand lag eine Pistole, die direkt auf meine Brust
zielte.
Ich erwog, die Mission abzubrechen und den Rückzug anzutreten
– aber welchen Vorteil würde mir das verschaffen? Wenn ich
jemals auf diesem Wege in die Brücke eindringen sollte, bot sich
wohl jetzt die beste Gelegenheit dazu. Wenn er nämlich auf mich
schießen sollte, würde er sicherlich ein oder mehrere
Löcher in die Glaskuppel schießen, wodurch sein Luftvorrat
entwich und er uns beide umbrachte!
Aber würde unser Saboteur das überhaupt begreifen?
Und dann stellte ich mir wieder die Frage, wie es unabhängig
vom geistigen Zustand unseres Piloten um meinen eigenen bestellt war.
Jetzt, da ich diesen ›monströsen Hunnen‹ als ein
reales menschliches Wesen mit eigener Existenz und eigener Biographie
begriff, konnte ich ihn überhaupt noch auf diese Art
umbringen?
All das ging mir in wenigen Sekunden fieberhaft durch den Kopf.
Schlagartig entschied ich mich, lieber einem sauberen Herzschuß
zu erliegen als einen langsamen Tod durch Ersticken zu erleiden; und
wenn ich den Saboteur umbrachte, nun, dann war das nicht mehr, als er
auch mir, Françoise, Traveller und Tausenden anderen beim
Stapellauf der Prince Albert zugedacht hatte!
Also drehte ich mit neuem Elan am Rad.
Der Saboteur wich von der Kuppel zurück, und die Faust, in
welcher er die Pistole hielt, zitterte.
Auf einmal öffnete sich die Luke. Sie schwang auf, wobei sie
meinen Helm knapp verfehlte, und ein Luftzug zerrte an mir. Ich hielt
mich mit beiden Händen am Rad fest, wurde zur Seite geworfen und
gegen die gläserne Kuppel der Brücke geschleudert. Papier
und andere Gegenstände hüllten mich in eine Wolke ein, und
ich sah Eiskristalle in dieser Brise glitzern.
Der Saboteur wurde von dem Vorgang völlig
überrascht.
Er wirbelte durch die Luft auf die Luke zu; als er durch die
Öffnung taumelte, entfiel die Pistole seinen starren Fingern und
verschwand in der Dunkelheit, und der Saboteur klammerte sich mit den
Fingerspitzen an die Kante der Luke und hing dort am Abgrund der
Unendlichkeit! Ein gelber Stiefel rutschte von seinem baumelnden Bein
und entschwand im Weltall; langes braunes Haar flatterte, und er
wandte mir sein gequältes Gesicht zu, wobei die
heraushängende Zunge blau angelaufen und die Augen mit Frost
überzogen waren.
Doch trotz dieser grotesken Situation und ungeachtet der
äußersten Gefahr dieses Augenblicks erkannte ich den Mann,
und ein neuer Schock ergriff von mir Besitz; es war
Frédéric Bourne, der Begleiter von
Françoise!
Die letzten Spuren der Luft waren nun ausgeströmt; Bournes
Kopf fiel zurück, und seine Finger lockerten den Griff um den
Lukenrand. Ohne weiter darüber nachzudenken, packte ich ihn am
Handgelenk. Dann zog ich mich unter dem unbeholfenen Einsatz meiner
freien Hand auf die Brücke. Die Luftschläuche und der
unglückliche Bourne schleiften hinter mir her, wobei letzterer
hart gegen den Rahmen schlug. Als ich mich dann auf der Brücke
befand, schob ich Bourne tiefer ins Schiff hinein und zog ein paar
Fuß Schlauch nach.
Ich packte das Schott und knallte es zu, wobei ich die
Luftschläuche einklemmte, und kurbelte heftig am Rad.
Als der Schlauch blockiert war, erstarb das beruhigende Zischen
der zirkulierenden Luft, das bisher mein ständiger Begleiter
gewesen war. Travellers Berechnungen zufolge mußte der
Luftvorrat im Helm und im mehrere Fuß langen Rest des
Schlauches noch so lange ausreichen, bis ich das Schott zu meinen
Kameraden in der Raucherkabine geöffnet hatte. Aber diese
Kalkulationen schienen indes unerheblich zu sein, während ich
mich in einem Anzug abmühte, der mir so eng und schwer wie eine
Ritterrüstung wurde, und mein Helm sich in eine
undurchdringliche Nebelkammer verwandelte.
Ich zog mich auf den Boden hinab und tastete ihn blind ab, wobei
ich in der vagen Hoffnung durch den Dunst starrte, das Luk zu
erspähen. Nun verspürte ich auf einmal heftige Schmerzen in
Kopf und Brust, und ich stellte mir vor, daß die von den Lungen
ausgestoßene Kohlensäure das Gesicht wie ein Gift
überzog…
Meine auf dem Boden schabenden Füße kollidierten mit
einem auf einem gewölbten Schott montierten Rad. Ich ergriff es
mit beiden Händen, stieß ein von Herzen kommendes
Dankgebet aus und riß mit aller mir noch verbliebenen Kraft an
dem Stellrad… aber es rührte sich nicht. Ich tastete es ab
und stellte fest, daß die Speichen des Rades mit einem
Brecheisen blockiert worden waren, so daß
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