Anti-Eis
wenn alle Menschen erst einmal
die Gelegenheit gehabt hatten, die Welt aus diesem Blickwinkel zu
betrachten.
Ich dachte an Françoise und betete im stillen, daß
sie und die Millionen anderer, die in dieser Schüssel aus Licht
gefangen waren, den heutigen Tag wohlbehalten
überstünden.
Vor mir, einen Teil des Mondes verdeckend, hing die Phaeton selbst. Das Schiff war etwa dreißig Fuß von mir
entfernt und schien auf der Seite zu liegen; ihre drei kurzen Beine
standen nutzlos von der Basis ab, und in dieser Basis sah ich das
offene Schott, durch das ich gekommen war. Das Schiff vermittelte den
Eindruck eines absurden, zerbrechlichen Spielzeugs, wobei sich die
Schatten der Beine und anderer Anbauteile so markant wie Bleistifte
über die Hülle zogen; und plötzlich überkam mich
ein Schock der Irrealität, als ich mich daran erinnerte, wie ich
das Schiff zum letztenmal von außen gesehen hatte, als es noch
stolz auf der Prince Albert im weichen belgischen Sonnenlicht
stand.
Der Zwillingsschlauch, der mich mit dem Luftschrank verband,
schlängelte sich durch das All; und ich vermutete, daß die
Schläuche sich bei meinem Sturz gestrafft und mich dann wieder
ein paar Yards zurückgerissen hatten.
Ich griff über den Kopf nach dem dort befestigten Schlauch,
und unter Zuhilfenahme beider behandschuhter Hände hangelte ich
mich nun langsam an den Schläuchen zum Schiff zurück.
Aufgrund dieser Anstrengung verstärkte sich die Atmung, und das
Helmfenster beschlug erneut; aber trotzdem konnte ich das Schiff noch
sehen und machte weiter. Schließlich erreichte ich die Luke des
Luftschranks; ich klammerte mich fest an ein Bein des Schiffes und
wartete ein paar Minuten, bis die Helmscheibe wieder klar war.
Ich dachte daran, daß Holden, Pocket und Traveller es keine
zehn Fuß über mir so warm und gemütlich wie in einem
Wohnzimmer hatten.
Ich kletterte am Bein empor und erreichte den unteren Abschnitt
der Schiffswandung. Wie Traveller mich instruiert hatte, befanden
sich auf der gekrümmten Aluminiumhaut des Schiffes viele kleine
Griffe, die für Mechaniker und Techniker gedacht waren. Diese
Griffe und andere Auswüchse erleichterten mir den Weg über
die Hülle der Phaeton zur Brücke ungemein. Ich
bewegte mich langsam voran und achtete darauf, daß die
Luftschläuche nicht geknickt wurden. Bei diesem Unterfangen
lösten sich Silberflocken von meinem Lederanzug, so daß
ich von einer Wolke funkelnder Teilchen eingehüllt wurde.
Nach wenigen Minuten hing ich wie ein silbriges Insekt im Bereich
direkt unterhalb der Kuppel, unter der sich die Brücke befand.
Ein paar Fuß über mir war das Luk mit dem Handrad, durch
das ich in das Schiff eindringen würde.
Nun hatte ich die mit Holden und Traveller besprochene
Ereigniskette abgearbeitet, und, wie wir ziemlich düster
gefolgert hatten, gab es für mich jetzt nur eine
Möglichkeit. Die erhabene Stimmung, in der ich mich noch vor
wenigen Minuten befunden hatte, verflog nun. Ich schloß die
Augen und lauschte dem in den Ohren rauschenden Blut. Ich hatte noch
nie zuvor einen Menschen getötet; genausowenig hatte ich eine
solche Tat jemals ernsthaft in Erwägung gezogen. Aber, so
suggerierte ich mir, der Mann auf dieser Brücke war
überhaupt kein zivilisierter Mensch; er war ein Tier, das
versucht hatte, vier Menschen zu ermorden, und der zudem aller
Wahrscheinlichkeit nach auch an der Verschwörung zur
Zerstörung der Prince Albert beteiligt gewesen war.
Er hatte selbst keine Gnade gekannt und verdiente folglich auch
keine.
Also schob ich mich mit erneuter Entschlossenheit über den
Rand der verglasten Kuppel.
Ich stützte mich mit den Füßen auf den in der
Wandung integrierten Halterungen ab und betätigte das Stellrad,
welches die Luke öffnen würde. Dabei zählte einzig und
allein die Geschwindigkeit. Der Besatzer der Brücke war
natürlich auch kein versierterer Raumfahrer als wir und
würde die tödlichen Implikationen dieser grotesk vermummten
Gestalt, die da vor seinem Fenster erschien, vielleicht
überhaupt nicht erfassen. Das hatten wir zumindest
unterstellt.
Während ich mit dem Luk beschäftigt war, überflog
ich das Innere der Brücke. Zwischen den mit komplizierten
Instrumenten bestückten Konsolen driftete ein Bursche auf mich
zu und sah mich eher neugierig als ängstlich an. Er trug eine
hellrote Jacke. Er traf keine Anstalten, mich aufzuhalten – aber
wie ich mit schwindender Zuversicht feststellte, verfügte er
über einen Vorteil, den wir hätten
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