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Anti-Eis

Anti-Eis

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natürlichen
irdischen Bedingungen etwas mit meiner derangierten geistigen
Verfassung zu tun; möglicherweise ist unser Körper doch
mehr durch den Tag-Nacht-Rhythmus unserer Heimatwelt konditioniert,
als wir ahnen.
    Dennoch wurde ich mehrmals von einem brüllenden Geräusch
gestört, einem sanften Druck, der mich fester auf die Pritsche
drückte. Dann fragte ich mich jedesmal vage, ob ich nicht nur
durch den Raum, sondern auch durch die Zeit gereist und nun wieder
irgendwie zu diesem alptraumhaften Moment zurückgekehrt
wäre, in dem die Phaeton in den Weltraum startete. Doch
diese Störungen waren nach wenigen Sekunden vorbei, und dann
fiel ich wieder in diesen unnatürlichen Schlummer. Später
erfuhr ich, daß meine Assoziationen dieser Vorgänge mit
dem Start so unbegründet gar nicht gewesen waren, denn das von
mir wahrgenommene Geräusch war tatsächlich von den
Hauptraketen des Schiffes verursacht worden. Der im Pilotensessel
sitzende Traveller aktivierte die Motoren, so daß wir durch das
All jagten; erneut – wenn auch nur für kurze Zeit –
waren wir wieder die Herren unseres Schicksals.
    Aber diesmal entfernten wir uns nicht einfach nur von der Erde;
diesmal brachte Traveller uns zu einem weitaus fremdartigeren
Ziel…
    Pocket wusch mich vorsichtig, flößte mir Suppe und
heißen Tee ein und führte noch diverse andere
Verrichtungen aus. Ansonsten versuchten die anderen nicht, mich
aufzuwecken, im Glauben, daß es besser wäre, der Natur
ihren Lauf zu lassen. Und ich verspürte auch gar nicht das
Bedürfnis, so schnell aus diesem Halbschlaf zu erwachen; denn
was würde ich dann vorfinden? – nur dieselbe schauerliche
Palette an düsteren Alternativen, die mich zu meinem
verzweifelten Ausflug ins Vakuum getrieben hatten.
    Aber schließlich legte sich mein seltsames
Schlafbedürfnis, und ich wurde, unwillig wie ein plärrendes
Neugeborenes, in eine feindliche Welt gestoßen.
    Ich stellte fest, daß ich locker in einem Kokon aus Decken
festgeschnallt war, und weil ich mich aus eigener Kraft nicht
befreien konnte, rief ich mit schwacher Stimme nach Pocket.
    Der Kammerdiener hob mich so leicht von der Pritsche, als ob ich
ein Kind wäre… obwohl das von Sir Isaac Newton aufgestellte
mysteriöse Gesetz der Anziehung und Abstoßung ihn in
Gegenrichtung durch die Luft beförderte. Er kleidete mich in
einen von Travellers Morgenmänteln, gab mir zu essen und
rasierte mich sogar.
    Das Gesicht, das mich im Spiegel anschaute, war eingefallen, mit
roten und dunkel geränderten Augen. Wie ich befürchtete,
war ich kaum mehr als der junge Mann zu identifizieren, welcher noch
vor wenigen Tagen so frohen Mutes dem Stapellauf der Prince Albert beigewohnt hatte. »Meine Güte, Pocket, in diesem
Zustand würde ich la belle Françoise wohl kaum vom
Hocker; reißen.«
    Der gute Mann legte mir eine Hand auf die Schulten
»Grämt Euch nicht mit solchen Überlegungen, Sir. Wenn
ich Euch erst wieder aufgepäppelt habe, werdet Ihr so blendend
aussehen wie immer.«
    Seine fröhliche, angenehme Stimme mit ihrem Grundton echter
Wärme war enorm tröstlich. »Danke für deine
Bemühungen, Pocket.«
    »Ich habe zu danken, Mr. Vicars.«
    Jetzt schob sich George Holden von der Brücke ins Bild; mit
einer gewissen federleichten Trägheit schob er seinen Dickbauch
durch die berüchtigte Luke – die jetzt offenstand –
und schwebte durch die Luft. »Mein lieber Ned«, sagte er.
»Wie geht es Euch?«
    »Ganz gut«, antwortete ich, wobei mich sein
Überschwang in ziemliche Verlegenheit brachte.
    »Ihr habt uns allen das Leben gerettet, dank Eures
außergewöhnlichen Mutes – ich hätte diesen
Spaziergang in der Dunkelheit nie über mich gebracht! Allein
schon beim Gedanken, den Kopf in diesen Kupferkäfig zu stecken,
läuft es mir kalt den Rücken hinunter…«
    Ich erzitterte. »Erinnert mich nur nicht daran.
Außerdem habe ich uns auch gar nicht gerettet; wir sind noch
immer im Weltall gestrandet und erhoffen uns Rettung von Travellers
exzentrischen Plänen, nicht wahr?«
    »Vielleicht, aber zumindest können wir solche Pläne
jetzt in die Praxis umsetzen; ohne Euren Mut wären wir
nämlich noch immer eingesperrt und würden hilflos in die
Dunkelheit stürzen, wobei unser Leben von den Launen eines
französischen Gauners abhinge. Ihr habt so lange bewußtlos
dagelegen, daß wir schon befürchteten, die
Kohlensäure im Raumanzug hätte Euch den Rest gegeben, mein
Junge; und ich hätte dem Franzen eigenhändig den Hals
umdrehen können,

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