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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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zündet,
während Ihr Euch noch zwischen den Decks befindet? Ihr
könntet gegen das Schott schlagen, verletzt oder gar
getötet werden. Nein, ich glaube, wir sollten sitzen bleiben und
abwarten.«
    Ich schüttelte den Kopf. Wenn Holden den Mut verloren hatte
– gut, er genoß meine Sympathie, und daher
äußerte ich mich auch nicht weiter dazu. Statt dessen
löste ich meine Gurte und stieß mich vom Stuhl ab.
»Gentlemen«, sagte ich, »ich werde nach oben gehen.
Wenn mit Traveller alles in Ordnung ist, werde ich mir im schlimmsten
Falle ein paar deftige Beschimpfungen anhören dürfen. Und
wenn ihm etwas zugestoßen sein sollte – nun, vielleicht
werde ich ihm helfen können.
    Ich glaube, ihr solltet angeschnallt auf euren Plätzen
bleiben.«
    Und mit diesen Worten, wobei ich ihre hilflosen Blicke im
Rücken spürte, stieg ich in die Luft empor und zog mich
durch die Luke auf die Brücke.
     
    Die zerklüftete Oberfläche des Mondes hing über der Phaeton. Das Schiff hatte seine Rotation nun eingestellt, und
die Sonne befand sich irgendwo zu unserer Linken, so daß die
Mondlandschaft lange und konturierte Schatten warf, wie
Tintenspritzer auf einer leuchtend weißen Oberfläche. Die
zerklüfteten Gipfel der Mondberge sowie die Kraterränder
glitten von rechts nach links an den Fenstern der Brücke vorbei
und zeigten, daß wir uns bereits in einem engen Orbit um diese
Welt befanden und Kurs auf ihre Nachtseite nahmen.
    Fasziniert schaute ich nach draußen. Ich wußte,
daß kein Mensch auf Erden, nicht einmal mit dem stärksten
Teleskop, die Schwesterwelt jemals zuvor in solch verwirrender
Detailfülle betrachtet hatte.
    Ich beobachtete interessiert, wie die großen Krater, die aus
dieser Perspektive eher wie runde, von einem Wall umgebene
Befestigungen aussahen, einen Zentralgipfel zu beheimaten schienen,
während die kleineren Krater mit ihren glatten Wänden in
konzentrischen Kreisen um diesen Gipfel gruppiert waren.
Außerdem sah ich, daß manche Krater ineinander
übergingen, so daß es den Anschein hatte, als ob in einer
wilden, weit zurückliegenden Vergangenheit des Sonnensystems ein
Hagel von Meteoren oder anderen Objekten auf dem Mond niedergegangen
wäre, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Und die
Schärfe der Ränder der kleineren Krater war ein Indiz
für ihre Jugend, das implizierte, daß dieses Bombardement
noch bis zum heutigen Tage andauerte.
    Nun schob sich ein neues Merkmal ins Sichtfeld, eine Bergkette,
die täuschende Ähnlichkeit mit einer Kraterwand hatte
– abgesehen davon, daß diese Wand in dieser Welt aus
Kreisen eine Gerade bildete, die sich von oben nach unten über
das Fenster zog. Das Gelände jenseits der Wand schien
merkwürdigerweise keine Krater aufzuweisen, obwohl der Boden
dort stark zerklüftet war. Ich stieß mich vom Deck ab und
schwebte zum Scheitelpunkt der Brückenkuppel empor. Als ich die
Oberfläche des Mondes betrachtete und in die Nachtseite
hineinspähte, konnte ich kein Ende dieser kraterlosen Region
erkennen. Der Begrenzungswall verschwand nun hinter dem Schiff, und
überrascht stellte ich fest, daß dieser Wall
überhaupt nicht gerade war: Er krümmte sich in einem
riesigen konkaven Bogen um die Trümmerlandschaft, und
plötzlich erkannte ich, daß wir über die Ebene eines
gewaltigen Kraters hinwegflogen, der so riesig war, daß selbst
die Krümmung des Planeten hinter die Krümmung seiner Wand
zurücktrat!
    Nun wußte ich, daß wir die von der Erde abgewandte
Seite des Mondes erreicht hatten, denn dieser monströse Krater
mußte den größten Teil der Hemisphäre bedecken
und die der Erde zugewandten Kraterebenen wie Kopernikus und
Ptolemäus bei weitem übertreffen.
    Bald war der Grenzwall des gigantischen Kraters hinter dem
Horizont des Planeten verschwunden, aber die entgegengesetzte Wand
war noch immer nicht zu sehen, und staunend blickte ich auf eine
Hunderte Quadratmeilen große, öde Fläche –
öde selbst nach lunaren Maßstäben.
    Da ertönte ein leises Stöhnen hinter mir.
    Ich drehte mich in der Luft, wobei mir plötzlich wieder der
Zweck meiner Mission einfiel. Der arme Traveller hing angegurtet in
seinem Thron-Sessel und hatte die großen Hände vor das
Gesicht geschlagen; sein Zylinderhut driftete neben ihm in der Luft,
und Strähnen weißen Haares befanden sich im Orbit um den
Kopf. Er hatte ein dickes, am rechten Bein festgebundenes Notizbuch
aufgeschlagen; darin hatte er meines Wissens in den letzten Tagen mit
akribischer

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