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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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denen Travellers Sessel ruhte – und
darüber nachzusinnen, daß es typisch für Traveller
war, das Wohlergehen derjenigen, für deren Leben er die
Verantwortung trug, völlig außer acht zu lassen. Auf die
paar Sekunden, die ich benötigt hätte, wieder meinen Platz
in der Kabine aufzusuchen, wäre es jetzt wohl auch nicht mehr
angekommen.
    Nach einigen Minuten schien sich die Anmutung des Mondlichtes zu
verändern. Der Schatten meines Kopfes verschob sich und dehnte
sich über das Deck; und schließlich stürzte ich in
eine Dunkelheit, die nur noch durch das trübe Glühen der
Ruhmkorff-Spulen unterbrochen wurde. Ich vermutete, daß das
Schiff sich gedreht hatte, so daß der Bug nun vom Mond
wegwies.
    Dann überkam mich eine große Erleichterung! – die
Motoren wurden heruntergefahren. Obwohl die Raketen verhalten
weiterfeuerten, schien es mir, als ob eine drückende Last von
meinen Schultern genommen worden wäre. Vorsichtig hob ich den
Kopf vom Boden, stützte mich auf Händen und Knien ab und
kam dann auf die Füße – um überrascht
festzustellen, daß ich stand!
    »Sir Josiah! Wir schweben nicht mehr…«
    Er hing in seinem Sessel und betätigte spielerisch die
Steuerhebel. »Oh, hallo, Ned; ich hatte ganz vergessen,
daß Ihr noch hier seid. Nein, wir befinden uns nicht mehr im
freien Fall. Ich hatte entschieden, die Flucht nach vorn anzutreten.
So nahm ich direkt Kurs auf die Mondoberfläche, von der wir
höchstens noch ein paar tausend Meilen entfernt
sind…«
    »Ich bin ganz schön auf die Platten gedrückt
worden.«
    Er schaute mich ziemlich erstaunt an. »Wirklich? Aber der
Schub war doch kaum stärker als die terrestrische
Schwerkraft.« Sein Gesichtsausdruck wurde härter. »Ihr
seid durch die Schwerelosigkeit geschwächt worden«,
diagnostizierte er. »Ich hatte Euch darauf hingewiesen, Eure
Gymnastik zu machen, wie ich es getan habe; es ist ein Wunder,
daß Eure spröde gewordenen Knochen nicht zerbröselt
sind.«
    Ich wollte schon eine Antwort formulieren, welche die Gründe
für mein Abweichen von dieser Routine dargelegt hätte
– nämlich die paar Tage, die ich nach meinem angeblich
heroischen Weltraumausflug als Invalide verbracht hatte –, aber
ich verkniff mir das. »Und dann habt Ihr das Schiff
gewendet«, resümierte ich statt dessen.
    »Ja; jetzt stürzen wir mit der Unterseite voran auf den
Mond zu«, bestätigte er freudig. »Der Schub, den Ihr
verspürt, entspricht in etwa der Schwerebeschleunigung, der wir
auf der Oberfläche des Mondes unterliegen und die Berechnungen
zufolge ein Sechstel der irdischen beträgt. Ich habe unsere
Geschwindigkeit auf ein ungefährliches Niveau reduziert und
lasse nun die Raketen feuern, um das Tempo konstant zu halten.«
Er beäugte mich forschend. »Ich unterstelle, daß Ihr
die Dynamik unserer Situation versteht? – daß die
Übereinstimmung der lunaren Gravitation und des Raketenschubs
kein Zufall ist?«
    »Vielleicht könnten wir uns der Theorie später
widmen«, erwiderte ich trocken. Ich erhob mich auf die
Zehenspitzen und hüpfte auf dem Deck auf und nieder; in meinem
geschwächten Zustand wirkte sogar diese reduzierte Schwerkraft
signifikant, aber ich konnte trotzdem leicht in die Höhe
springen. »So würde man sich also bei einem Spaziergang auf
dem Mond fühlen?«
    »Richtig.« Jetzt legte er den Kopf in den Nacken und
spähte durch sein Periskop. »Ich muß nun unseren
Landeplatz bestimmen. Wir werden im Sonnenuntergang in den Mondbergen
landen.«
    Ich klammerte mich an den Sessel, drehte mich um und schaute durch
das Fenster. Der der Sonne abgewandte Himmel über uns war
völlig finster; und während wir zur versteckten Seite des
Mondes abstiegen, entzog sich nun auch die Erde unserem Blick. Um uns
herum streckten hagere Felsfinger, die von dieser alten Explosion
übriggeblieben waren, ihre gezackten Kanten nach uns aus, und
die Schatten wirkten wie Seen aus vergossenem Blut.
    »Warum landen wir denn nicht in der Tagzone?« fragte
ich. »Diese Schatten müssen die Suche nach einem sicheren
Landeplatz doch praktisch unmöglich machen.«
    »Aber die Phaeton ist nicht für ausgedehnte
Manöver auf der Mondoberfläche konzipiert worden,
Ned!« entgegnete Traveller mit verhaltener Ungeduld.
»Bedenkt, daß das Schiff im Raum kontinuierlich rotieren
muß, damit es nicht auf einer Seite durch die
Sonneneinstrahlung überhitzt wird. Hier wäre eine solche
Rotation nicht möglich – obwohl das Sonnenlicht genauso
intensiv ist wie im Weltall.

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