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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Genauigkeit Tagebuch geführt – über die
diversen Manöver und Raketenzündungen –, wobei diese
Aufzeichnungen uns sicher zur Oberfläche bringen sollten.
    Ich schlug einen eleganten Salto, stieß mich mit den
Füßen am Fenster ab und positionierte mich vorsichtig an
Travellers Seite auf dem Deck. Ich ergriff seinen Arm und
schüttelte ihn heftig. »Sir Josiah, was betrübt Euch
denn?«
    Er nahm die Hände vom Gesicht. Sein Gesichtsausdruck war eine
Mischung aus Zorn und Verzweiflung, und seine Augen hoben sich als
blaue Nadelspitzen im Mondschatten ab. »Ned, wir sind erledigt.
Erledigt! Wir sind so weit gekommen, haben so viel durchgemacht, nur
um der Dummheit dieses großspurigen dänischen Idioten zum
Opfer zu fallen!«
    »Welchen Dänen meint Ihr denn?« erkundigte ich mich
vorsichtig.
    »Hansen natürlich, und seine absurde
Frühstücksei-Theorie betreffs der Gestalt des Mondes.
Schaut es Euch an!« Er schüttelte die Faust gegen die
Trümmerlandschaft, die dräuend über uns hing. »Es
ist jetzt klar wie Kloßbrühe, daß der Mond doch eine
perfekte Kugel ist, daß seine Masse gleichmäßig
verteilt sein muß und daß die Rückseite dieser
kläglichen Welt genauso luftleer ist wie die
Vorderseite!«
    Ich schaute zu der lunaren Ödwelt hoch. Tief im Schatten der
Fragmente der Trümmerlandschaft funkelte und glitzerte es, was
auf das mögliche Vorhandensein von Granit oder Quarz hindeutete.
Ich kam zu dem Schluß, daß Travellers plötzliche
Niedergeschlagenheit nicht von Angst oder Verzweiflung
herrührte, sondern vom Gefühl, verraten worden zu sein
– vom Mond selbst, vom Schöpfer, der die Stirn gehabt
hatte, eine Welt zu erschaffen, die für Travellers Zwecke so
ungeeignet war und sogar von Hansen, diesem armen Kerl, der von allen
dreien sicher noch am unschuldigsten war!
    Traveller lehnte sich in seinem Sessel zurück und starrte vor
sich hinmurmelnd zum Mond empor.
    Ich war verwirrt. Selbst wenn die Landung auf dem Mond ein
nutzloses Unterfangen war, so überlegte ich, hatten wir doch
keine andere Wahl, als sie durchzuführen; und nur Traveller
konnte unseren Flug zu einem sicheren Abschluß bringen. Aber es
war auch klar, daß Traveller sich jetzt in sich selbst
zurückgezogen hatte und in diesem Moment schwerlich in der Lage
war, das Schiff zu steuern.
    Ich mußte etwas unternehmen, oder wir würden alle
umkommen.
    Zögernd streckte ich die Hand aus und berührte seinen
Arm. »Sir Josiah, noch vor kurzem habt Ihr mich der
Phantasielosigkeit geziehen. Nun kann ich nicht umhin, Euch die
gleiche Schwäche zu attestieren. Ihr wart es doch, der
erklärt hatte, daß wir uns, ob Erfolg oder Scheitern,
Leben oder Tod, auf ein höllisches Vergnügen freuen
dürften!«
    Sein Gesicht lag im Kernschatten des Mondes, und zum erstenmal,
seitdem ich ihm begegnet war, ließ er sein wirkliches Alter
erkennen. »Ich hatte mich auf Hansens versponnene Theorien
verlassen, Ned«, sagte er leise. »Jetzt, wo sich meine
Hoffnungen zerschlagen haben, Wasser zu finden, finde ich die
Aussicht auf einen sicheren Tod nicht mehr sonderlich
spaßig.«
    Er klang alt, gebrechlich, ängstlich und überraschend
verwundbar; ich hatte nun das Privileg, hinter der Maske den echten
Menschen zu sehen. Aber in diesem Moment brauchte ich den alten
Traveller, den wilden, den exzessiv zuversichtlichen, den arroganten
Traveller!
    Ich zeigte auf eine Stelle über meinem Kopf. »Sir,
zumindest habt Ihr sicher noch nicht das Staunen verlernt! Schaut auf
die Kraterlandschaft über uns. Wir haben die mächtigste
Formation auf dem Mond entdeckt – ein würdiges Denkmal
für Eure Leistungen – und, falls unsere Geschichte jemals
an zukünftige Generationen weitergegeben wird, wird man dieses
Denkmal sicher nach dem großen Josiah Traveller
benennen!«
    Er wirkte ansatzweise interessiert ob dieser Ausführungen und
richtete seine schnabelförmige Platinnase auf die silberne
Landschaft. »Traveller-Krater. Vielleicht. Zweifellos wird man
meinen Namen durch eine lateinische Version entstellen.«
    »Und«, fügte ich hinzu, »denkt nur an den
Einschlag, der solch eine monströse Narbe verursacht haben
muß. Es wird sicher nicht viel gefehlt haben, und der Mond
wäre auseinandergebrochen.«
    Er rieb sich das Kinn und musterte den riesigen Krater mit
kritischem Blick. »Und doch ist es kaum möglich, sich einen
Meteoriteneinschlag solchen Ausmaßes vorzustellen… Nein,
Ned; ich vermute, daß die Erklärung für diesen
immensen Krater noch exotischer

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