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Anti-Eis

Anti-Eis

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da nicht auf zivilisierte Art
unterhalten können, Ned«, sagte Holden müde. »Die
Trikolore – die Fahne ihrer Revolution, in welcher der
Pöbel seine rechtmäßigen Herrscher ermordete und sich
dann selbst zerfleischte; die Trikolore – die der korsische
Emporkömmling über ganz Europa wehen ließ; die
Trikolore – Symbol des Blutes, Chaos und Mordens…«
    »Ja, aber was hat das nun mit der Phaeton zu
tun?«
    »Denkt einmal nach, Ned; versucht, die letzten Dekaden aus
der Sicht Eures Franzen zu betrachten. Sein berühmter Kaiser
wird von Wellington besiegt und ins Exil gekarrt. Der Wiener
Kongreß, der das Gleichgewicht der Kräfte in Europa
für alle Zeit gesichert hat, was wir als noble Errungenschaft
betrachten, findet sein Mißfallen; denn er kann nun nicht mehr
auf die Zerstrittenheit seiner Feinde bauen, um sein Credo der
Gesetzlosigkeit und des Aufstandes in Europa zu
verbreiten…«
    Bourne lachte leise. »Ich möchte darauf hinweisen,
daß wir jetzt von einem Kaiser regiert werden und nicht von
einem Robespierre.«
    »Ja«, sagte Holden mit Abscheu, »von Louis
Napoleon, der sich selbst als illegitimen Sohn Bonapartes
bezeichnet…«
    »Neffen«, korrigierte Bourne. »Aber hätte euer
König durch eine Restauration der alten Monarchie –
unbeschadet der Legitimität von Louis’ Thronfolge –
nicht ohnehin wieder einen Kaiser eingesetzt, oder?« Er lachte
erneut.
    Holden ignorierte das. »Ned, Euer Franzose hat für
dieses Jahrhundert seine habgierigen und gesetzlosen Ambitionen
aufgeben müssen. Er mußte mit ansehen, wie der
Einfluß Britanniens auf dem Kontinent – und in der ganzen
Welt – ständig zunahm und sowohl durch unsere solide
Verfassung als auch durch die Stärke unserer Industrie
gestützt wurde. Und diese Ressentiments sind noch
gewachsen.«
    Bourne lachte wieder leise.
    »Wollt Ihr das vielleicht bestreiten?« fragte Holden
barsch.
    Bourne hörte auf zu lachen. »Ich bestreite nicht eure
Hegemonie in Europa«, sagte er. »Aber sie beruht einzig und
allein auf einer Tatsache: Anti-Eis und eurem Monopol auf diese
Substanz. Daher verlegt ihr eure Anti-Eis-Schienen durch unsere
Felder und errichtet Bahnhöfe mit englischen Namen, von denen
aus englische Waren vertrieben werden.
    Und schlimmer – am schlimmsten von allem – ist eure
unterschwellige Drohung, Anti-Eis als ultimate Waffe im Krieg
einzusetzen. Wo bleibt da Euer Gleichgewicht der Kräfte, Mr.
Holden?«
    »Es bestehen keine derartigen Intentionen«, dementierte
Holden steif.
    »Aber ihr habt solche Terrorwaffen bereits eingesetzt«,
wußte Bourne, »nämlich auf der Krim gegen die Russen.
Wir wissen, wozu ihr fähig seid. Ihr Briten redet und handelt
so, als ob Anti-Eis eine übernatürliche Manifestation eurer
rassischen Überlegenheit sei. Das ist es nicht; euer Besitz
dieser Materie ist nicht mehr als ein historischer Zufall, und
dennoch benutzt ihr diese zeitweilige Überlegenheit, dem Rest
der Menschheit eure Lebensweise, euer politisches System und sogar
eure Mentalität aufzuzwingen.«
    Nun war es Holden, der lachte, aber ich saß stumm da und
ließ mir Bournes Worte durch den Kopf gehen. Ich konzediere
durchaus, daß ich noch vor einem Monat instinktiv Holdens
Partei in einer solchen Debatte ergriffen hätte, aber nun, da
ich die kühlen, präzisen Worte dieses Franzmannes vernahm
– nein, dieses Mannes, eines gleichaltrigen Mannes –,
stellte ich fest, daß meine Gewißheiten doch fragiler
waren, als ich gedacht hatte. »Aber«, fragte ich Bourne,
»was, wenn Ihr recht hättet? Ist die britische Lebensart
denn so schlecht? Holden hat den Wiener Kongreß genannt; die
britischen Diplomaten haben sich um einen gerechten Frieden
bemüht…«
    »Ich bin Franzose, kein Brite«, meinte er. »Wir
wollen unsere eigenen Wege gehen und nicht den euren folgen. Die
Preußen und die anderen deutschen Stämme auch; wenn die
Geschichte befindet, daß eine geteilte Nation sich vereinigen
soll, wer ist dann Britannien, daß es sich dem entgegenstellen
dürfte? Und selbst… selbst wenn unsere Nationen
gegeneinander in den Krieg ziehen wollen, dann steht es euch nicht
zu, ein Veto einzulegen.« Sein Gesicht war blaß, der Blick
jedoch klar und fest.
    »Dann war die Entführung der Phaeton – vielleicht sogar unter dem Einsatz Eures Lebens…«
    »…eine Aktion mit dem Ziel, noch ein paar Pfund mehr von
dem verdammten Anti-Eis zu vergeuden. Das skrupellose
Verbrecher-Genie Traveller zu beseitigen. Es hat sich

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