Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Nationalismus
aufwallen, sich in Europa ausbreiten und dadurch euer Gleichgewicht
der Kräfte für immer zerstören wird – und
erschrecken eure Mütter die Kinder noch immer mit Geschichten
vom ›Boney‹, der sie holen wird, wenn sie sich schlecht
benehmen?«
    Ich mußte lachen – denn meine eigene Mutter hatte genau
das getan –, aber der erregte Bourne fuhr nun in einem
härteren Tonfall fort: »Ned, es gibt einen Kreis moderner
Engländer, die sich Söhne der Gascogne nennen. Seid Ihr mit
ihren Theorien vertraut?«
    »Ich habe von ihnen gehört«, erwiderte ich
steif.
    »In mancherlei Hinsicht stellen die Söhne die Essenz
eures Nationalcharakters dar; denn im ständigen Bewußtsein
der Vergangenheit lebt ihr gleichzeitig in ständiger Furcht vor
ihr – und sinnt ständig auf Rache. Nach der Eroberung durch
die Normannen wurden in Abständen von etwa zwanzig Meilen
Befestigungen in England und Wales errichtet, die allein dem Zweck
dienten, die unterworfenen Engländer gefügig zu halten. Aus
diesen Befestigungen sind nun eure großen Schlösser
hervorgegangen – Windsor, der London Tower. Und der Norden
Englands wurde sogar völlig verwüstet.«
    Ich runzelte die Stirn. »Aber das war doch schon vor acht
Jahrhunderten. Wen interessieren denn heute noch solche
Dinge?«
    Bourne lachte. »Für die Söhne war es gerade erst
gestern. Die Gezeiten der Geschichte, mit ihrem ganzen Treibgut aus
alten Siegen und Niederlagen, haben ihre Ängste nur noch
verstärkt. Sie hängen der Gascogne nach, die vom Jahre 1066
bis zum sechzehnten Jahrhundert englischer Besitz war, als Mary Tudor
dann den letzten Rest – Calais – verlor.
    Vicars, die Söhne planen die Endlösung des alten
›Problems‹ mit Frankreich. Erneut werden Schiffe den Kanal
überqueren; erneut wird eine Eroberung stattfinden – und
erneut werden in Abständen von wenigen Meilen die schrecklichen
Forts errichtet werden. Aber diesmal werden mit Anti-Eis-Granaten
bestückte Geschütze von den Türmen dräuen; und
diesmal werden es die französischen Landstriche sein, die
untergepflügt werden.«
    »Aber das ist ja grauenhaft«, sagte ich perplex.
    »Fragt Holden«, entgegnete Bourne scharf. »Nicht
wahr, Sir? Wollt Ihr die Existenz einer solchen Bewegung vielleicht
leugnen? Und bestreitet Ihr Eure Sympathie für diese
Bestrebungen?«
    Holden öffnete den Mund zu einer Antwort – aber er
konnte das Vorhaben nicht mehr ausführen; denn in diesem
Augenblick drang ein grausiger Schrei durch die offene Luke über
unseren Köpfen.
    Wir schauten uns schreckerfüllt an; denn dieser Schrei war
von Traveller ausgestoßen worden, unserem einzigen Piloten bei
dieser Mondfahrt, und es hatte nach einem Todesschrei geklungen!
    Hilflos auf dem Sitz festgegurtet, schaute ich nach oben auf die
offene Luke zur Brücke. Ein Strahl Mondlicht stach durch die
Öffnung und illuminierte die verräucherte Kabine. Irgendwie
mißfiel mir diese neue Entwicklung der Ereignisse; wenn ich
nur, so überlegte ich, in dieser gemütlichen Kabine
hätte sitzen und über Politik diskutieren können, bis
alles vorbei war… auf die eine oder andere Art.
    Es hatte jedoch den Anschein, daß ich mich den Dingen nun
stellen müßte.
    Ich schaute auf Holden. »Was sollen wir Ihrer Meinung nach
tun, George?«
    Holden kaute an den Fingernägeln. »Ich habe keine
Ahnung.«
    »Aber er muß da oben in irgendwelchen Schwierigkeiten
stecken. Warum hätte er sonst wohl so geschrien? – Aber
würde er dann nicht um Hilfe rufen?«
    »Das ist nicht Sir Josiahs Art, Sir«, sagte da Pocket.
»Er ist keiner von denen, die eine Schwäche
eingestehen.«
    Holden schnaufte. »Nun, in einer Situation wie dieser ist das
aber eine verdammt unverantwortliche Attitüde.«
    »Sofern er«, keuchte ich, »nicht völlig
handlungsunfähig ist. Vielleicht liegt er bewußtlos dort
oben – oder sogar tot! In diesem Fall hätte die Phaeton keinen Piloten…«
    Nur den zusammengesackten Bourne schien diese gespenstische
Mutmaßung nicht zu beeindrucken.
    »Ned, wir müssen jetzt einen kühlen Kopf
bewahren«, sagte Holden mit vor Anspannung belegter Stimme.
    »Ich glaube, daß einer von uns dort hinaufgehen
sollte«, riet ich.
    »Davon würde ich abraten, Sir«, meinte Pocket.
»Sir Josiah hätte etwas dagegen, wenn…«
    »Zum Teufel mit seinen Vorlieben und Abneigungen. Ich rede
davon, unser aller Leben zu retten, Mann!«
    »Ned, überlegt doch einmal«, sagte Holden
nervös. »Was, wenn Traveller die Raketen

Weitere Kostenlose Bücher