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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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die Fantasievorstellungen eines Therapeuten mit der Realität abgleichen zu wollen, die im Fall besagter Patientin ja deren eigenen Vater betraf! Der Vater
stritt die unglaubliche Anschuldigung ab, und Freud analysierte prompt: Er streitet es ab? Also stimmt es! Und als die Patientin ihrerseits seine These zurückwies, deutete er auch dies als durch die Verdrängung erklärlichen Beweis für die Wahrheit seiner Behauptung.
    Für ihn gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Patienten pflichteten ihm bei und bestätigten die Wahrheit, oder sie bestritten Freuds Thesen und bestätigten sie damit nur umso deutlicher, ließ sich doch an der fehlenden Einsicht die Macht der Verdrängung ablesen. In beiden Fällen triumphierte Freud. Angesichts des leugnenden Vaters und der uneinsichtigen Tochter schrieb er im selben Brief an Fließ: »Ich habe ihr das Wegschicken angedroht und mich dabei überzeugt, daß sie ein gutes Stück Sicherheit, das sie nicht anerkennen will, bereits gewonnen hat.« (ebd.) Ob die Münze Kopf oder Zahl zeigte – Freud gewann immer.
    Am 17. Dezember 1896 berichtete er Fließ von einem weiteren Fall: Ein Patient habe Angst, sich zu rasieren, und könne außerdem kein Bier trinken. Freud zufolge war das ganz normal, denn das Kind sei Zeuge einer Szene geworden, in der sich das Kindermädchen mit nacktem Hintern – »podice nudo« schrieb Freud und wich, wie schon beim inzestuösen pater oder der nackten matrem, ins Lateinische aus – in eine mit etwas Bier gefüllte Rasierschüssel gesetzt habe, »um sich dann lecken zu lassen« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 230). Dieses Szenario war natürlich sehr wahrscheinlich und ganz bestimmt der Grund für die beschriebene Symptomatik!
    Im selben Monat behandelte er eine Frau, die an Kopfschmerzen litt. Wichtig dabei war: Auch ihr Bruder hatte Kopfschmerzen und berichtete, mit zwölf Jahren habe er die Füße seiner Schwestern geleckt, wenn diese sich auszogen. Migräne beim Bruder, Migräne bei der Schwester – doch woher kam die Übertragung der Pathologie? Freuds Erklärung: »Dazu war ihr im Unbewußten die Erinnerung an eine Szene gekommen, in der sie (mit vier Jahren) zusieht, wie Papa mitten im sexuellen Taumel
einer Amme die Füße leckt. Somit hatte sie erraten [ sic ], daß die Liebhaberei des Sohnes vom Vater stammte. Daß dieser also [ sic ] auch dessen Verführer gewesen war. Nun durfte sie sich mit ihm identifizieren, seinen Kopfschmerz übernehmen.« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 224) Quod erad demonstrandum.
    Freud schickte also Patienten mit ganz verschiedenen Symptomen (Ekzem, Kopfschmerz, Hemmungen, Phobien) mit ein und demselben Befund nach Hause, nämlich dass sie als Kinder von ihren Vätern sexuell missbraucht worden seien, was natürlich ganz reale Auswirkungen hatte: Die Kinder konfrontierten ihre Eltern mit dem ärztlichen Befund, und die beschuldigten Väter sahen ihre moralische Integrität infrage gestellt.
    Zweifelsohne veränderten diese gefährlichen Fantasien aus Dr. Freuds Gruselkabinett die Beziehungen der Kinder zu ihren Vätern. Es ist schwer vorstellbar, dass man sich einen soliden Kundenstamm aufbauen kann, wenn man jedes Krankheitsbild auf die Vergewaltigung durch den Vater zurückführt. In Wien jedenfalls hätte man sich mit derartigen Geschichten als Therapeut nicht lange halten können. Und so wurde Freuds Hang zum Vatermord schon bald Grenzen gesetzt.
     
    Er nahm also bald Abstand von seiner Theorie, wie er zuvor schon die Behandlungen mit Kokain, Elektrotherapie, Heilbädern, Hypnose, Handauflegen und später mit Harnröhrensonden aufgegeben hatte. Anstatt auf Patienten verzichtete er lieber auf seine Theorie der Verführung.
    Natürlich erzählte er Fließ davon. Am 21. September 1897 schrieb er: »Und nun will ich Dir sofort das große Geheimnis anvertrauen, das mir in den letzten Monaten langsam gedämmert hat. Ich glaube an meine Neurotica nicht mehr.« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 283) Wie immer in schwierigen Situationen verwendete er den lateinischen Begriff. Erst hatte er sich von dieser Theorie ewigen Ruhm versprochen, und nun vollführte er einfach eine Kehrtwende – ein für Freud ganz typisches Manöver.

    Als ersten Grund nannte Freud, mit dieser Methode könne er nie eine Therapie zu einem guten Ende bringen. Den Briefen an Fließ zufolge stützte sich seine Theorie auf nur drei Patienten: die Frau mit dem Mundekzem und der Fellatio, dem Bärtigen mit dem im Bier sitzenden

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