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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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ihr macht.«
    Sigmund Freud, Der Mann Moses und die monotheistische Religion
(1964, S. 139 f, Fußnote)
     
     
    Besonders deutlich wurde Freuds Ambivalenz immer dann, wenn er verschiedene Hypothesen selbstsicher vortrug und ohne jeden Beweis als Tatsachen hinstellte. Die Behauptung war Freuds typischer Ausdrucksmodus. Er machte aus dem Nichts heraus eine Aussage und verwandelte sie dann unmerklich in eine Gewissheit, und zwar einzig und allein durch die eigenen Behauptungen.
    In Die Traumdeutung schrieb er, »daß wir ja genötigt sind, ins Dunkle hinaus zu bauen.« ( Psychologie der Traumvorgänge, Bd. II/III, S. 555) Er fuhr fort, seine Theorie der Traumdeutung könne deshalb sogar falsch sein. Doch das hielt ihn keineswegs davon ab, eine unglaubliche Liste von Traumsymbolen zu erstellen, an der er keine Sekunde zweifelte. Jeder Schlüssel wurde zum Phallus, jedes Schloss zur Vagina. Ohne ersichtlichen Grund setzte er die Krawatte mit dem Penis, die Glatze mit der Kastration oder den Traum vom Fliegen mit einer Erektion gleich. Ein ganzes Kapitel widmete er der Bedeutung unbewusster Wünsche.
    Auch in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie von 1905
stellte er eine Hypothese auf, der er jedoch selbst »mangelhafte Klarheit« (Bd. V, S. 79) attestierte. Er äußerte Skepsis bezüglich seiner »Einsichten in die Vorgänge der kindlichen Latenz- oder Aufschubsperiode« (ebd.) und gab zu, nicht viel über die Wechselbeziehung zwischen der oralen erogenen Zone und der Lust am Essen zu wissen, genauso wenig wie über den Zusammenhang von erogener Zone und intellektueller Lust. Auch wisse er nichts über den Übergang von kindlicher Lust zur Auswahl des Sexualobjekts beim Erwachsenen, also darüber, weshalb sich ein bestimmter Fetisch herausbilde. Unklar seien ihm auch Wesen und Ursprung von sexueller Erregung, Lust und Unlust. Zudem könne er die Libido des Ich nicht von anderen im Ich aktiven Kräften unterscheiden: »Eine Fortführung der Libidotheorie ist deshalb vorläufig nur auf dem Wege der Spekulation möglich.« (ebd., S. 119 f) Gleichermaßen konnte er die Beziehung zwischen genitaler Sexualität und anderen Formen der Sexualität nicht erhellen und gestand die »Lückenhaftigkeit unserer Einsichten in das infantile Sexualleben« (ebd., S. 136). Dennoch legte er eine komplette Theorie der Entwicklungsstadien vor, nicht ohne auf die »psychologische Vorläufigkeit« (ebd., S. 144) seiner Hypothesen zur Festigung des Sexuallebens hinzuweisen. Am Ende des Buchs beklagte er den »unbefriedigende[n] Schluß, der sich aus diesen Untersuchungen über die Störungen des Sexuallebens ergibt« (ebd., S. 145) – es mangelte ihm nämlich an biologischer Fachkenntnis!
    Die gleiche Skepsis prägt auch Die »kulturelle« Sexualmoral und die moderne Nervosität von 1908, und zwar in der Frage nach der Entstehung der Homosexualität: Wieso wird der gleichgeschlechtliche Körper zum Sexualobjekt? Damals hatte Freud noch keine Antwort formuliert. Später gelangte er in Zur Einführung des Narzißmus (1914), Über die weibliche Sexualität (1931) und in Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds (1925) zu präziseren Ansichten darüber und versuchte definitive Antworten zu benennen.

    Auch Totem und Tabu illustriert die latente Skepsis in Freuds Theoriebildung. Dort wie auch in Massenpsychologie und Ich-Analyse (Bd. XIII, S. 71–163) stellte er mangels empirischer Beobachtungen bloße Hypothesen auf. Natürlich konnte Freud nicht bis in die Vor- und Frühgeschichte zurückgehen, um seinen »wissenschaftlichen Mythos« über Urhorde, Vatermord und -verzehr und die Entstehung der Moral zu überprüfen, und es war ihm auch unmöglich, nach Australien zu den Aborigines zu reisen, die er als exemplarisch für die frühgeschichtliche Lebensweise betrachtete. Deshalb stellte er über die Urhorde nach eigenem Bekunden »eine Hypothese, die phantastisch erscheinen mag« ( Totem und Tabu, Bd. IX, Seite 171) auf. Der gesamte Text ist von derartigen methodologischen Vorbehalten durchzogen.
    Schlägt man die Metapsychologische Ergänzung zur Traumlehre (1915) auf, findet man folgende Einsicht: »Der unsicher tastende Charakter dieser metapsychologischen Erörterungen soll natürlich in keiner Weise verschleiert oder beschönigt werden. Erst weitere Vertiefung kann zu einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit führen.« (Bd. X, S. 425) Es handelt sich dabei zwar nur um eine kleine Fußnote, doch man könnte es nicht

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