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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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technique psychanalytique die Redekur vehement verteidigte und schließlich
doch erklärte, die Chemie werde die Psychoanalyse eines Tages überflüssig machen ( Die endliche und die unendliche Analyse ). Oder gar an den Freud, der in Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung (1912) die Analyse von Verwandten untersagte, sechs Jahre später aber seine Tochter und noch später deren Geliebte sowie die Kinder dieser Geliebten analysierte. Wo also war der wahre Freud? Der gute Freud? Und welcher Freud hatte recht?
    Freud wusste natürlich um diese geistigen Kehrtwenden und Hakenschläge. Um deren Spuren zu verwischen, nahm er sie einfach in seine Theoriebildung auf. So bekannte er etwa in Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, »daß ich im Laufe meiner Arbeiten meine Ansichten über einige wichtige Punkte modifiziert, geändert, durch neue ersetzt habe, wovon ich natürlich jedesmal öffentlich Mitteilung machte.« (Bd. XI, S. 251 f) Und später: »[I]ch lasse mich nicht abhalten, an all meinen Lehren zu modeln und zurechtzurücken, wie es meine fortschreitende Erfahrung erfordert.« (ebd., S. 252) Und doch resümierte er: »An den grundlegenden Einsichten habe ich bisher nichts zu ändern gefunden und hoffe, es wird auch weiterhin so bleiben.« (ebd.) Fassen wir zusammen: Freud gab zu, er habe modifziert, geändert, ersetzt, gemodelt und zurechtgerückt, grundsätzlich habe sich jedoch nichts geändert.
    Nach den öffentlichen Mitteilungen, die Freud natürlich jedes Mal gemacht haben wollte, sucht man vergeblich. Er behauptete mal dies und mal jenes, oft Widersprüchliches, doch er kam nie in Form einer eindeutigen Kritik auf ein Thema zurück. Die Kokain-Episode zeigt deutlich, dass Freud weder Berichtigungen veröffentlichte noch je sein Bedauern ausdrückte oder Fehler zugab. Er zog es vor, die Spuren dessen zu verwischen, was er einmal vertreten hatte, anstatt Irrtümer einzugestehen. So hielt er es auch mit dem Tod seines morphinsüchtigen Freundes und seinen widersprüchlichen Theorien über den Einsatz von Kokain.

    Die im Werk aufscheinenden Zweifel und Widersprüche haben ihren dialektischen Widerpart in der Figur des Konquistadoren, die Freud für sich reklamierte und die ihm dazu diente, man ahnt es schon, die durch seine Methoden verursachten Fehler und Widersprüche für null und nichtig zu erklären. Freuds Theoriebildung glich einem Trödelladen, und doch wollte er den Eindruck ideologischer Kontinuität erwecken. Doch um diesen Taschenspielertrick hinzubekommen, musste er mit den Waffen des Konquistadoren kämpfen, von dem jeder weiß, dass er sich um Ethik wenig kümmerte.
    Wie sah Freud als Konquistador aus? Machen wir zunächst einen kurzen Umweg über Der Mann Moses und die monotheistische Religion, einen Text, in dem Freud das Oxymoron eines »historischen Romans« vollbringt. In diesem Buch geht es um historisches Erbe, phylogenetische Übertragung und Übertragung von Lebewesen zu Lebewesen seit den Anfängen des Vatermords und des kannibalischen Festmahls. In diesem Zusammenhang heißt es: »Zugegeben, daß wir für die Erinnerungsspuren in der archaischen Erbschaft derzeit keinen stärkeren Beweis haben als jene Resteerscheinungen der analytischen Arbeit, die eine Ableitung aus der Phylogenese erfordern, so erscheint uns dieser Beweis [ sic ] doch stark genug, um einen solchen Sachverhalt zu postulieren [ sic ]. Wenn es anders ist, kommen wir weder in der Analyse noch in der Massenpsychologie auf dem eingeschlagenen Weg einen Schritt weiter. Es ist eine unvermeidliche Kühnheit.« ( Der Mann Moses und die monotheistische Religion, Bd. XVI, S. 206)
    Diese Sätze beschreiben klar und deutlich, worin Freuds Methode bestand: Durch die Analyse wurden Beweise geschaffen, die zwar nicht überzeugend genug sind, um als Beweise durchzugehen, aber doch für das Postulat ausreichen, sie bewiesen etwas! Hier hätte Freud sich entscheiden müssen: Entweder ein Beweis beweist etwas, dann muss man nichts postulieren, oder man postuliert, und die Beweise haben nichts bewiesen. Doch etwas zu
beweisen und dann ein Postulat auf diese Beweise zu stützen ist aus epistemologischer Sicht eine äußerst seltsame Methode, und die Auflösung eines solchen Widerspruchs erfordert ein gehöriges Maß an Kühnheit.
    Mit diesem einfachen Wort lässt sich die gesamte freudsche Epistemologie zusammenfassen. Kühnheit, anders ausgedrückt: eine gewisse Art von Dreistigkeit, eine Begierde, der

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