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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Als sollte sich die Ersetzung der Personen in anderem Sinne fortsetzen; diese Mathilde für jene Mathilde; Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn. Es ist, als ob ich alle Gelegenheiten hervorsuchte, aus denen ich mir den Vorwurf mangelnder ärztlicher Gewissenhaftigkeit machen kann.« (ebd.) Er verdrängte also seinen Fehler, der zum Tod der Patientin geführt hatte, und zwar nicht, weil der Irrtum von seiner Unfähigkeit zeugte, sondern weil die Tote den Namen seiner Tochter trug.
    Ähnlich ging er mit dem Tod seines Freundes Ernst Fleischl-Marxow im Jahr 1895 um, den er mit Kokaininjektionen von einer Morphiumsucht hatte heilen wollen. Auch hier zeigte er keinerlei Reue und kein Mitleid, obgleich er die alleinige Schuld trug und dies auch wusste, denn er zerstörte soweit möglich die – bereits publizierten – Beweise dafür. Und er erfand eine neue
Version dieser unglücklichen Geschichte. Kurz bevor er sich mit Mathildes Fall beschäftigte, erzählte er von Fleischl-Marxow: »Ein teurer, 1895 schon verstorbener Freund hatte durch den Mißbrauch dieses Mittels seinen Untergang beschleunigt.« (ebd.) Mit dem »Mittel« war das Kokain gemeint. Im Jahr 1900 hatte Freud durch bloße Inkompetenz schon mindestens zwei Tote auf dem Gewissen.
    In einer Anmerkung zu Psychopathologie des Alltagslebens berichtete er von einer ähnlichen Geschichte. Auch hier begegnen uns wieder die Ablehnung des Körperlichen und die Konzentration auf das Seelische. Freud erzählte von einer Vergesslichkeit, die ihm unterlaufen war. Als er seine Buchhaltung durchsah, konnte er die neben einem Zahlungseingang vermerkten Initialen niemandem zuordnen. Doch die Unterlagen bestätigten, dass er diese Person in einem Sanatorium über mehrere Wochen hinweg behandelt hatte. Zunächst konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern. Doch dann fiel ihm ein Mädchen von vierzehn Jahren ein.
    »Das Kind erkrankte an unzweideutiger Hysterie, die sich auch unter meinen Händen rasch und gründlich besserte. Nach dieser Besserung wurde mir das Kind von den Eltern entzogen; es klagte noch über abdominale Schmerzen, denen die Hauptrolle im Symptombild der Hysterie zugefallen war. Zwei Monate später war es an Sarkom der Unterleibsdrüsen gestorben. Die Hysterie, zu der das Kind nebstbei prädisponiert [ sic ] war, hatte die Tumorbildung zur provozierenden Ursache genommen und ich hatte, von den lärmenden, aber harmlosen Erscheinungen der Hysterie gefesselt, vielleicht die ersten Anzeichen der schleichenden und unheilvollen Erkrankung übersehen.« ( Zur Psychopathologie des Alltagslebens, Bd. IV, S. 162)
    Selbst angesichts des toten Mädchens zweifelte Freud keine Sekunde an seiner exzellenten Diagnose, die einmal mehr Hysterie lautete. Außerdem erklärte er das Mädchen für prädisponiert, diese Erkrankung zu bekommen – wer sollte dem widersprechen?
Er zweifelte auch nicht an seiner Therapie: Er hatte sie behandelt, es war ihr deutlich besser gegangen, und sie hatte die Klinik verlassen. Freuds Darstellung lässt durchscheinen, dass die Sache nicht so tragisch zu Ende gegangen wäre, wenn die Eltern ihm das Kind nicht entzogen hätten, doch zugleich gibt er zu, die körperliche Erkrankung nicht entdeckt zu haben. Immerhin war er ausgebildeter Arzt mit Krankenhauserfahrung, war es gewöhnt, Entscheidungen zu treffen und notfalls auch Eltern zu widersprechen, die ihr Kind vorzeitig aus dem Sanatorium holen.
    Freud wollte sein Gesicht wahren. Zwar hatte er den Tumor übersehen, und natürlich war dies ein schwerer Fehler, doch immerhin war er der Grund für die Hysterie gewesen – worauf Freud allerdings nicht weiter einging. Packten ihn Zweifel, als er zugab, wegen einer vielleicht gar nicht existierenden Erkrankung eine ganz reale und tödliche übersehen zu haben? Keineswegs. Ein junges Mädchen war gestorben, aber Freud trug dafür keine Verantwortung, denn schließlich hatte er sich um ihre Hysterie gekümmert – und mochte es diese auch nur in seinem Wunschdenken geben.
    Das war also Freuds dritter Todesfall. Auch ein Leser, der mit den Feinheiten der Psychoanalyse nicht vertraut ist, wird vor diesem Hintergrund die Mechanismen des Vergessens leicht verstehen und braucht die entsprechenden Kapitel der Psychopathologie des Alltagslebens nicht mehr zu konsultieren. Es leuchtet ein, dass die Menschen sich lieber nicht an das erinnern wollen, was ihr schönes Selbstbild gefährdet.
     
    Freuds Umgang mit der Ichspaltung, der Verleugnung und der

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