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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Ablehnung des Körpers auf der einen und seine zwanghafte Fixierung auf das Psychische auf der anderen Seite erschließen sich vor allem anhand des Falls Emma Eckstein, der einem Paradebeispiel gleichkommt. Die Briefe an Fließ erlauben uns, den Fall im Detail zu verfolgen, und es wird deutlich, weshalb Freuds Familie, besonders seine Tochter, der Öffentlichkeit diese Briefe
vorenthalten wollte. Denn sie offenbaren äußerst unehrenhafte Charakterzüge des großen Sigmund Freud, nämlich dessen sture Unaufrichtigkeit angesichts eigener Fehler und das Bestreben, lieber alle Spuren zu verwischen, als einen Irrtum einzugestehen.
    Im Januar 1895 war Emma Eckstein dreißig Jahre alt. Seit zwei oder drei Jahren war sie bereits wegen Beschwerden, die auf eine Hysterie hindeuteten, mit Symptomen wie Gastritis und Regelschmerzen, die sie schon seit der Jugend plagten, bei Freud in Behandlung. Er verwarf jede somatische Ursache, unternahm keine medizinische Untersuchung und führte die Beschwerden stattdessen auf die sexuelle Ätiologie zurück, genauer auf sein besonderes Steckenpferd, die verdrängte Masturbation. Das Onanieren sowie dessen Verdrängung waren für Freud Ausgangspunkte für Neurosen, wovon die Fälle des Patienten mit dem Psychrophor und eben der Emma Eckstein zeugten. Dieser Logik entkam niemand: Masturbieren oder nicht masturbieren waren zwei Ausprägungen ein und derselben Erkrankung!
    Freud beschrieb immerhin, wie er zu dieser Theorie kam. Sie war erneut performativ und schuf die Wahrheit, indem sie diese verkündete. Freud erklärte es zur allseits bekannten Tatsache, dass jeder, der unter gastrischen Beschwerden litt, Selbstbefriedigung praktizierte. Wie wir bereits gesehen haben, beschäftigten Fließ und er sich in den Briefen mit einigen bizarren Zusammenhängen, wozu auch die Theorie einer Beziehung zwischen Nase und Genitalien gehörte.
     
    1893 schickte Freud Fließ ein Manuskript über die »vielfachen Beziehungen, die zwischen Nase und Geschlechtsorgan bestehen« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 38)! Und wieder behandelte er das Thema in performativer Art und Weise. Am 8. Oktober regte er seinen Freund an, dessen Überlegungen separat unter dem Titel Die Nase und die weibliche Sexualität zu veröffentlichen, und prompt brachte Fließ 1897 das Buch Die Beziehungen zwischen Nase und weiblichen Geschlechtsorganen heraus. In den
darauffolgenden Briefen nannte Freud den Text Nase und Sex. Vergessen wir nicht, dass er seinen Freund als »Kepler der Biologie« (30. Juli 1898, Briefe an Wilhelm Fließ, S. 350) zu bezeichnen pflegte.
    Aus diesen Überlegungen jedenfalls entstand Freuds Idee, man müsse Emma Ecksteins Nase operieren, um ihre Hysterie zu besiegen. Fließ reiste also von Berlin nach Wien und nahm Ende Februar 1895 den chirurgischen Eingriff vor, genauer eine Abtragung von Nasenknorpel auf der linken Seite. Dann fuhr er zurück nach Hause und ließ die Patientin in Freuds Obhut. Zwei Wochen später schrieb Freud ihm, Emma Eckstein leide an einem Gesichtsödem, Nasenbluten, Gerinnseln, übel riechender eitriger Sekretion, Schmerzen und einer Infektion. Sie hatte also schwere körperliche Beschwerden.
    Wir kennen Fließ’ Antwort nicht, weil Freud sorgsam alle Briefe seines ehemaligen Freundes vernichtet hat. Freud ergriff Vorsichtsmaßnahmen; er schrieb einen Bericht zum Nachteil seines Freundes und hoffte, dieser möge sich bald von der folgenden Nachricht erholen: Ungeachtet der Drainage und der Wundsäuberung bestanden die Symptome zunächst fort, bis ein Assistent beim Reinigen der Wunde »ein gut 1/2 Meter langes Stück Gaze« entdeckte (8. März 1895, ebd., S. 117), das der Chirurg und sein Kollege in der Nasenhöhle vergessen hatten! Die Patientin hatte bei dieser Entdeckung viel Blut verloren, sodass ihr Puls stark abfiel. Freud trank unterdessen im Nebenzimmer etwas Wasser und fühlte sich nach eigenem Bekunden erbärmlich, doch man ahnt, dass diese Empfindung nur von kurzer Dauer war und er sich eines Tages rächen würde. Er trank einen Cognac und ging in das Behandlungszimmer zurück. Emma Eckstein erkannte seine Bestürzung und resümierte ironisch: »Das ist das starke Geschlecht.« (ebd.)
    Ein paar Tage später wurde die Wunde erneut gereinigt und behandelt. Freud bedauerte, Fließ zur Reise nach Wien, zur Operation und zur Überlassung der Patientin überredet zu haben. Er
nahm die Schuld auf sich, schien seinem Freund jede Peinlichkeit ersparen zu wollen und fügte hinzu,

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