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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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temporäre magische Kausalität unterstellt, die beizeiten – nämlich in der Zukunft – einer wissenschaftlichen Kausalität weichen muss. Freuds psychologische Gesetze wären dann nur ein vorläufiger Ersatz für kommende wissenschaftliche Gesetze. Diese These wird durch viele Aussagen Freuds gestützt, besonders durch jene über die Bedeutung von Biologie und Chemie für die Psyche. Vorläufig jedenfalls stellte Freud sein Theoriegebäude in die Tradition des magischen Denkens  – und das meine ich nicht polemisch; vielmehr möchte ich den Begriff im Sinne von Marcel Mauss oder Claude Lévi-Strauss verstanden wissen.
    Ein weiteres Zitat von Freud über die Magie lässt sich wunderbar auf die Psychoanalyse übertragen: »Da aber Ähnlichkeit
und Kontiguität die beiden wesentlichen Prinzipien der Assoziationsvorgänge sind, stellt sich als Erklärung für all die Tollheit der magischen Vorschriften wirklich die Herrschaft der Ideenassoziation heraus.« (ebd., S. 102 f) Perfekt illustriert wird diese These in Die Traumdeutung, vor allem auf den vielen Seiten über die symbolische Bedeutung des Traummaterials.
    Das Prinzip der Ähnlichkeit könnte viele magische Prozeduren erklären. Beispielsweise imitierten die Urmenschen mit Musikinstrumenten oder Gesängen das Geräusch eines Regenschauers, um Regen herbeizurufen; sie spielten die sexuelle Vereinigung mit der Erde nach oder tanzten in Tierfelle gekleidet, um Erfolg bei der Jagd zu haben. Der Urmensch tat als ob und erhielt tatsächlich, was er wollte: Es regnete, es gab gute Ernten und viel zu essen.
    Wie interpretierte Freud einen Traum? Er tat als ob und fand tatsächlich einen Sinn. Etwa im Fall einer »jungen, infolge von Versuchungsangst agoraphobischen Frau« ( Die Traumarbeit, Bd. II/III, S. 365). Die Patientin berichtete von ihrem Traum, in dem sie »einen Strohhut von eigentümlicher Form [trägt], dessen Mittelstück nach oben aufgebogen ist, dessen Seitenteile nach abwärts hängen (Beschreibung hier stockend), und zwar so, daß der eine tiefer steht als der andere.« (ebd.) Zufrieden ging sie an einer Gruppe junger Offiziere vorbei, in dem festen Glauben, diese könnten ihr nichts tun.
    Freud interpretierte diesen Traum. Er tat, als ob der Hut kein Hut wäre, und sah dank des magischen Denkens tatsächlich »ein männliches Genitale mit seinem emporgerichteten Mittelstück und den beiden herabhängenden Seitenteilen.« (ebd.) Er fragte die Dame, ob ihr Ehemann gut bestückt sei, und sie bejahte dies. Ein anatomisches Detail schien Freuds Deutung zu bestätigen: Der eine Hoden des Ehemannes saß tiefer als der andere – genau wie die Seitenteile des Hutes! War das nicht erstaunlich? Natürlich musste eine Dame mit einem derart großen Hut die Offiziere nicht fürchten, deren Kopfbedeckungen im Vergleich wahrscheinlich winzig gewesen waren.

    Ein weiteres Beispiel für eine solche Analogiebildung (als wesentliches Charakteristikum des magischen Denkens) ist die Gleichsetzung von Zigarre und Phallus. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail, und so verbirgt sich der ganze Freud in seinem Verhältnis zur Zigarre. Mit vierundzwanzig Jahren begann Freud mit dem Rauchen. Zunächst rauchte er Zigaretten, später ging er zur Zigarre über, die er sein Leben lang genoss. Er starb nach fünfzehnjährigem, unbeschreiblichem Leiden und über dreißig Operationen an Gaumenkrebs, der in eindeutigem Zusammenhang mit seinem Zigarrenkonsum stand. An Jones schrieb er am 25. April 1923: »Smoking is accused as the etiology of this tissue-rebellion.« [Dem Rauchen wird vorgeworfen, diese Rebellion des Gewebes hervorzurufen.] ( Complete Correspondence of Freud/Jones, S. 521) Freud rauchte ungefähr zwanzig Zigarren am Tag. Wie wir wissen, litt er an diversen körperlichen Beschwerden, darunter Herzrhythmusstörungen und ein Nasenkatarrh, und berichtete Fließ immer wieder über Eitermengen, Farben, Geruch und die Maße seiner Nasenabsonderungen. Er ließ eben nichts aus.
    Der Freund riet ihm, mit dem Rauchen aufzuhören. Freud versuchte es und berichtete Fließ davon. Erst rauchte er gar nicht mehr, dann eine oder zwei Zigarren pro Tag, dann eine pro Woche, und schließlich fiel er in seine alten Gewohnheiten zurück. Freuds Hausangestellte Paula Fichtl musste täglich das berühmte Päckchen mit zwanzig Stück kaufen.
    Freud erzählte Fließ, der Verzicht auf die Zigarren habe beim ihm zu einer Verschlimmerung der Symptome geführt. Er leide nun drei- oder viermal

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