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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zum rein individuellen Gebrauch, also eine Sprache, die jede Kommunikation unmöglich macht – letztlich ein Oxymoron? Angesichts des Zungenredens gibt es zwei mögliche Reaktionen: Man kann lachen und rufen, der König sei nackt. Oder man verfällt in Psittazismus und wiederholt das Gesagte wie ein Papagei, aber mit großer Ernsthaftigkeit und in dem Glauben an den Sinn dieser sinnlosen Sprache, weil eine Handvoll Schüler auch fest daran glaubt. Man kann das Zungenreden also entmystifizieren oder sich niederknien, um zu beten.
    Das symbolische Denken gleicht dem sektiererischen Denken der Psittazisten. Es funktioniert über das Erlernen der Pseudosprache, die Überprüfung der Kenntnisse durch den Meister, die Unterwerfung der Schüler, die Enträtselung des Mysteriums durch ein neues Rätsel mit Zustimmung der Sekte, wiederholte Rituale der verbalen Beschwörung unter Verwendung der Reliquien dieser Miniaturreligion, nämlich die ungefähr zwanzig Theoriebausteine, an denen man die freudsche, jungsche oder lacansche Denkweise erkennt. In Freuds Welt sprach man Freuds Sprache. Seine Schüler erlernten sie diensteifrig und wuchsen langsam zu jener Sekte heran, die eines Tages zur Keimzelle einer Religion werden sollte.

    Freuds Traumtheorie verzichtet auf rationales Denken und setzt voll und ganz auf die symbolische Denkweise. Mit Artemidors Traumdeutung hat Freuds gleichnamiges Werk mehr als nur den Titel gemeinsam und will sich doch davon abheben, will eine revolutionäre Arbeit sein. Freud sieht im Traum nicht den Ausblick auf das, was sein wird, sondern die nächtliche Lösung eines am Tag aufgetretenen Problems, als den symbolischen Ausdruck dessen, was nicht sein konnte  – natürlich aufgrund einer sexuell motivierten Verdrängung.
     
    Die Traumdeutung ist zwar ein dickes Buch, aber erstaunlich inhaltsleer, denn sie lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen, und Freuds Thesen verdanken sich in weiten Teilen der zeitgenössischen wissenschaftlichen Literatur. Die beachtliche Bibliographie soll wohl zeigen, wie sehr sich die Welt bisher getäuscht hatte, und ältere Untersuchungen zum Thema, die ähnliche Gedanken enthalten, werden natürlich mit keinem Wort erwähnt.
    Doch die Idee, den Traum von der Vorsehung abzukoppeln, war nicht neu, genauso wenig wie die Konzeption des Traums als nächtliche Lösung eines am Tag bestehenden Problems; beides wurde schon lange von verschiedenen Wissenschaftlern vertreten. Wer nicht in die Bibliothek gehen und die Regale durchstöbern will, kann einfach bei Nietzsche nachlesen, der in Zarathustra schrieb: »Dein Leben selber deutet uns diesen Traum, oh Zarathustra!« (II. Buch, »Der Wahrsager«) Und es gibt weitere philosophische Texte zum selben Thema.
    Der umfangreiche Band bietet eine Fülle an Traumanalysen – knapp fünfzig Träume von Freud selbst und ungefähr zweihundert weitere Träume werden zum Teil äußerst detailliert besprochen. Daneben und neben dem kritischen Kommentar zur Bibliographie bleibt wenig Platz für Freuds Lehre, die immer wieder zwischen die Deutungen geschoben wird. Die Thesen ließen sich auf nur einer Seite, gar in einem einzigen Zitat zusammenfassen: Der Traum ist die Erfüllung eines unbewussten, verdrängten
Wunsches. Anders gesagt: Im Traum wird verwirklicht, was am Tag verboten ist. So einfach ist das.
    Und doch sind die Zusammenhänge nicht so unkompliziert, wie sie scheinen. Denn der Wunsch, mit der eigenen Mutter zu schlafen – um eine wiederkehrende Fantasie Freuds zu bemühen  –, zeigt sich im Traum nicht in dieser Deutlichkeit! Freud führt nirgendwo eine Erklärung dafür an, wieso das Unbewusste, das weder Zeit noch Tod, Moral, Widersprüche oder Logik kennt, für derart komplizierte Verhältnisse sorgt. Warum? Weshalb geht das Unbewusste nicht ehrlich, klar und direkt vor? Freud wollte mit seiner Erzeugerin ins Bett – wieso träumte er nicht in klaren Bildern von diesem verdrängten Wunsch, wieso sah er nicht, wie er mit ihr schlief? Ist das Unbewusste etwa prüde und zieht sich deshalb auf jenen komplexen Mechanismus zurück, den Freud entdeckt haben wollte?
    Welches Motiv könnte das Unbewusste haben, etwas derart zu verschleiern und zu verändern, dass ein inzestwilliger Sohn von Luftschiffen träumt, die Erektionen bedeuten, von Harnfluss, der Kraft symbolisiert, von einem kleinen Haus zwischen zwei großen, das den Weg zur sexuellen Erfüllung verheißt? Wieso musste er von einem ihm bereits bekannten Ort

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